Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Nilkrokodil: Fortpflanzung. Überwachen der Eier. Auskriechen der Jungen. DS

„Zn dem Arbeitszimmer meines Hauſes zu Majunga ſtehen einige mit Sand gefüllte Kiſten, in ihnen Krokodileier, um dieſe ſtets vor Augen zu haben und gegebenen Falles das Ausſchlüpfen_ der jungen Tiere beobachten zu können. Eines Tages hörte ih in einer dieſer Kiſten Töne erſchallen und kam auf die Vermutung, daß vielleiht ein junges Tier ausgetrochen ſei und, im Sande verborgen, im Erſti>ken dieſe Laute von ſih gäbe. Beim Nahgraben ſtellte ſi< nun die ganz überraſchende Thatſache heraus, daß die Töne aus den unverleßten Eiern ſelbſt erſchallten. Dieſe Töne ſind ſo laut daß, wenn die Eier frei liegen, man ſie ganz deutlich im Nebenzimmer hört. Sind die Eier mit Sand bede>t wie es in der Natur der Fall iſt, alſo etwa 0,5 m hoch, ſo ſind die Töne etwas gedämpfter, aber doh ohne Mühe deutlih auf die Entfernung einer Zimmerlänge vernehmbar. Das Rufen der Jungen im Eie kann man jederzeit anregen, wenn man mit ſtarken Schritten an dem Orte, an dem ſi die Eier befinden, vorübergeht, wenn man an die Kiſte, welche die Eier enthält, lopft oder das Ei in die Hand nimmt und etwas bewegt: jede Erſchütterung veranlaßt die Jungen im Eie Töne von ſi zu geben. Da, wie oben bemerkt das Muttertier auf dem Neſte \{<läft, wird es bei ſeinen Bewegungen oder ſeinem Wandern vom Waſſer zum Neſte oder umgekehrt den Erdboden erſhüttern und die Fungen im Eie/ die weit genug entwid>elt ſind, zur Erzeugung von Tönen anregen. Das alte Tier ſcharrt dann den Sand aus der Grube, und nah einiger Zeit ſhlüpfen die Jungen aus. Aus derartigen Eiern, die ausgegraben und frei aufbewahrt wurden, krochen nah 3 Tagen die Jungen aus. Die Töne werden mit geſ{<loſſenem Munde hervorgebracht, wie es ſcheint, unter ſtarker Zuſammenpreſſung der Bauchmuskeln, ungefähr wie wir beim Schlu>auf Töne erzeugen. Auch der Klang iſt ähnlich.

„Sind die jungen Tiere ausgeſhlüpft ſo wandert das alte Krokodil mit ihnen zum Waſſer. Mein Gehilfe, ein durchaus zuverläſſiger Mann, erzählte mir, er hätte vor kurzer Zeit ein großes Krokodil mit einer Schar von etwa 20 Zungen über eine Sandfläche zum Waſſer wandern ſehen. Das alte Tier ſei auffällig wild geweſen. Daß die eben ausgeſhlüpften jungen Tiere ohne Hilfe der Mutter im ſtande ſein ſollten, die über ihnen befindliche Sandſchicht zu durchbrechen, glaube ih nah meinen Erfahrungen auf das beſtimmteſte verneinen zu dürfen. Von den Eiern, die mit einer etwa 0,5 m mächtigen Sandſchicht bede>t waren, zeigten zwar einige {hwache Verſuche der Jungen, auszuſ<hlüpfen, indem die Scale an einer Stelle zerbrochen war; manchmal hatten die Jungen die Schnauzenſpißze herau3geſtre>t, waren aber ſtets abgeſtorben, wahrſcheinlih aus Mangel an Luft. Die nur ſ<wa< mit Sand bede>ten Eier bereiteten den jungen Tieren beim Aus\chlüpfen keine Schwierigkeiten.“

Die Fungen haben beim Aus\c<hlüpfen eine Länge von 20—28 em und nehmen im Laufe ihres erſten und zweiten Lebensjahres etwa um je 10 cm, in jedem nachfolgenden Jahre dagegen um 15—20 em zu, bis ſie eine Geſamtlänge von vielleicht 3 m erreicht haben; von dieſer Zeit an ſcheint ihr Wachstum ſi je länger, je mehr zu verlangſamen, jo daß man, einer auf die Angaben der Eingeborenen begründeten Schäßung nach, das Alter 5—6 m langer Tiere wohl auf 100 Jahre veranſchlagen darf. Wie alt ſie überhaupt werden, läßt ſi< nit beſtimmen.

Die eben ausgeſ<lüpften Jungen ſind, nah A. Voelzkow ſchon ſehr wild; ſie beißen ¿. D. nach dem Finger, wenn man ſie anfaſſen will. Von ihnen hört man häufig Laute, beſonders wenn ſie hungrig ſind. Der Ton iſt niht ſo hoh wie der, den die Jungen im Eie erzeugen. Er klingt ungefähr wie der Nuf unſerer Feuerkröte, nur etwas lauter, wiederholt ſi< etwa 6—7mal, worauf eine Pauſe eintritt. Außerdem geben die Tiere fauchende Töne von ſi, wenn man ſie ärgert, z. B. am Schhwanze hochhebt. Die Entwi>elung im Eie nünmt in Madagaskar etwa 3 Monate in Anſpruch.

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