Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

516 Zweite Orbnung: Panzerechſen; einzige Familie: Krokodile.

In früheren Zeiten wurden, wie uns Herodot mitteilt Krokodile von den Unterägyptern in Gefangenſchaft gehalten. „Manche Ägypter“, ſagt der Vater der Geſchichte, „ehen in den Krokodilen heilige Tiere, andere ihre \{limmſten Feinde: jene wohnen um den See von Möris, dieſe um Elefantine. Erſtere nähren ein Krokodil und zähmen es in ſo hohem Grade, daß es ſi< betaſten läßt. Man bemüht ſi, ihm ein prächtiges Leben zu verſchaffen, hängt ihm Ringe von Gold mit geſchliffenen Steinen in die Ohren, ziert ſeine Vorderfüße mit goldenen Armbändern und füttert es mit Mehlſpeiſen und Opferfleiſ<h. Nach dem Tode wird es einbalſamiert und in ein geweihtes Grab geſeßt. Solche Begräbniſſe befinden ſi< in den unterirdiſchen Gemächern des Labyrinthes am See Möris, niht weit von dex Krokodilſtadt.“ Strabon vervollſtändigt dieſe Angaben. „Die Stadt Arſinoë in Ägypten wurde in früheren Zeiten Krokodilſtadt genannt, weil in dieſer Gegend das Krokodil hoh geehrt wird. Man hält hier in einem See ein einzelnes Krokodil, das gegen die Prieſter durhaus zahm iſt. Es heißt Suchos. Die Fütterung beſteht in Fleiſch, Brot und Wein, und ſolches Futter bringen die Fremden, die es ſehen wollen, immer mit. -Mein Gaſtwirt, ein ſehr geachteter Mann, der uns die dortigen heiligen Dinge zeigte, ging mit uns an den See. Er hatte einen kleinen Kuchen, gebratenes Fleiſ< und ein Fläſchchen Honigwein mitgenommen. Wir fanden das Tier am Ufer liegend. Die Prieſter gingen zu ihm hin, öffneten ihm den Rachen, einer ſte>te den Kuchen hinein, dann das Fleiſh und goß den Wein hinterher. Nun ſprang das Tier in den See und ſhwamm ans jenſeitige Ufer. Unterdeſſen kam wieder ein anderer Fremder, der eine gleiche Gabe brate. Die Prieſter nahmen das neue Futter, gingen um den See herum und gaben es dem Tiere auf dieſelbe Art.“ Wie Plutarch noh mitteilt, kennen die Krokodile niht bloß die Stimme, die ſie zu rufen pflegt, ſondern laſſen ſih angreifen, auch die Zähne pugen und mit einem Stü>e Leinwand abreiben. Diodorus Siculus endlich gibt uns den Grund an, weshalb das Tier heilig gehalten und ihm göttliche Ehre erwieſen wurde. „Es wird geſagt, daß ſowohl die Größe des Nils wie die Menge der in ihm hauſenden Krokodile die arabiſchen und libyſchen Räuber abhält, über den Strom zu ſ{hwimmen. Andere erzählen, einer von den alten Königen, Namens Menas, ſei von ſeinen eignen Hunden verfolgt worden und in den See Möris geflüchtet, woſelbſt er wunderbarerweiſe von einem Krokodile aufgenommen und auf die andere Seite getragen worden ſei. Um nun dieſem Tiere für ſeine Rettung den gebührenden Dank abzuſtatten, habe er in der Nähe des Sees eine Stadt gebaut und ſie Krokodilſtadt genannt, au den Einwohnern geboten, die Krokodile als Götter zu verehren. Er ſei es auh geweſen, der hier eine Pyramide und das Labyrinth errichtet habe. Übrigens gibt es Leute, die ganz andere Gründe für die Vergötterung dieſer Tiere angeben.“

Wie innig die Verehrung des Tieres geweſen ſein muß, geht aus einer Erzählung von Maximus Tyrius hervor: „Zn Ägypten zog einſt ein Weib ein Krokodil auf und ward deshalb wie der Gott ſelber hoh verehrt. Jhr Kind, ein Knabe, lebte und ſpielte mit dem Krokodile, bis dieſes, größer und ſtärker geworden, endlih den Spielgenoſſen auffraß. Das unglüſelige Weib aber pries fortan das Glü> ihres Sohnes, weil er von einem Goîte verſpeiſt worden war.“

Gegenwärtig denkt in den Nilländern niemand mehr daran, Krokodile zu zähmen; mit alt gefangenen hat dies auch beſondere Schwierigkeiten. Am 20. Juli 1850 faufte ih in Chartum ein 3,5 m langes lebendes Krokodil, das ſih in Fiſcherneßen verwi>elt hatte, zum Preiſe von einer Mark unſeres Geldes, um es zu beobahten. Die Fiſcher hatten ihm den Rachen feſt zugebunden, da ſie vor ſeinen Biſſen geſichert ſein wollten; trobdem fuhr es, als wir uns ihm näherten, mit einem ſo ungeſtümen und raſchen Saße auf uns los, daß wir erſhroden zurüdtraten. Wenn wir es ſtießen, ſhnaubte es dumpf blaſend und