Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

532 Zweite Ordnung: Panzerechſen; einzige Familie: Krokodile.

genannten Flüſſen ſieht man, laut Audubon, deſſen Schilderung ih Nachſtehendem zu Grunde lege, an den ſ<hlammigen Ufern und auf den großen treibenden Baumſtämmen die Alligatoren ſi ſonnen oder den Strom nah Nahrung dur<hſ{<wimmen. Fn Louiſiana ſind alle Sümpfe, Buchten, Flüſſe, Teiche, Seen voll von dieſen Tieren; man bemerkt ſie überall, wo ſie Waſſer genug haben, um in ihm Nahrung zu finden und ſih in ihm zu verbergen, ſo bis an die Mündung des Fluſſes Arkanſas hinab, öſtlih bis Nordcarolina und weſtlih allerorten. Auf dem Red River waren ſie, bevor ihn Dampfboote befuhren, ſo überaus häufig, daß man ſie zu Hunderten längs der Ufer oder auf den ungeheuern Flößen von Treibholz bemerkte. Die kleinen lagen oder ſaßen auf dem Rücken der größeren, und zuweilen hörte man von ihnen ein Gebrüll, wie von tauſend wütenden Stieren, die einen Kampf beginnen wollen. Sie waren, wie viele Tiere in Nordamerika, ſo wenig menſchenſcheu, daß ſie ſih kaum um das Getreibe auf dem Fluſſe oder am Ufer bekümmerten, daß ſie, wenn: man niht nach ihnen feuerte oder ſie abſichtlih verſheuhte, Boote in einer Entfernung von wenigen Meter an ſi< vorüberfahren ließen, ohne ſie im geringſten zu beachten. Nur in bra>igen Wäſſern zeigten oder zeigen ſie ſi< ſeltener.

Auf dem Lande bewegt ſi der Alligator gewöhnlih langſam und verdroſſen. Sein Gang iſt ein mühſames Gezappel; ein Bein um das andere wird \<werfällig vorwärts bewegt, der wuchtige Leib kommt faſt in Berührung mit der Erde, und der lange Shwanz ſchleppt auf dem Boden nah. So entſteigt er dem Waſſer, ſo krieht er auf Feldern oder in Wäldern umher, um einen anderen, Nahrung verſprehenden Wohnort oder einen tauglichen Plaß für ſeine Eier zu ſuchen. Wie langſam er ſih bewegt, geht aus folgender Beobachtung hervor: Audubon traf am Morgen einen etwa 4m langen Alligator eiwa 30 Schritt von einem Teiche entfernt, anſcheinend im Begriffe, einem anderen, im Geſichtskreiſe liegenden Gewäſſer zuzuwandern. Mit Beginn der Abenddämmerung hatte das Tier etwa 600 Schritt zurückgelegt; weiter war es niht gekommen. Auf dem Lande zeigen ſie ſi, wahrſcheinlih ihrer Unbehilflichkeit halber, erbärmlich feig. Bemerken ſie bei ihren Wanderungen von einem Gewäſſer zum anderen einen Feind, ſo duen ſie ſi, ſo gut ſie können, auf den Boden nieder, die Schnauze dit auflegend, und verharren regungslos in dieſer Lage, nur mit den leicht beweglichen Augen den Gegner beobachtend. Nähert man ſi ihnen, ſo ſuchen ſie niht zu entfliehen, greifen auh ebenſowenig an, ſondern erheben ſi< bloß auf die Beine und fauchen, als ob ſie ein Schmiedegebläſe im Leibe hätten. Wer \ie jeßt totſchlagen will, läuft nicht die mindeſte Gefahr, vorausgeſeßt, daß er ſih von ihrem Schwanze in angemeſſener Entfernung hält; denn in ihm beſigt das Tier ſeine größte Stärke, gewiſſermaßen auch ſeine beſte Waffe. Ein Menſch, der einen kräftigen Schlag mit dem Schwanze erhält, kann dadurch getötet werden.

Jm Waſſer, ſeinem eigentlihen Elemente, iſt der Alligator lebhafter und kühner. Zuweilen kommt es vor, daß er hier ſelbſt dem Menſchen zu Leibe geht. Jn der Regel aber meidet er ihn ängſtlih, am ſicherſten dann, wenn dieſer ihm gegenübertritt. Fn Nordamerifa waten die Rinderhirten, wenn ſie an ein mit Alligatoren beſebtes Gewäſſer kommen, mit Knüppeln bewaffnet hinein, um einen Weg für ihr Vieh zu bahnen oder um die gefräßigen Kriechtiere abzuhalten, dieſem beim Trinken läſtig zu fallen, und wenn ſie gerade auf den Kopf des Alligators zugehen, haben ſie auh nichts zu fürchten, können den Kopf ſogar, ohne Gefahr zu laufen, mit ihrem Knüppel bearbeiten, bis das Tier weiht. Zuweilen ſieht man Menſchen, Maultiere und Alligatoren dicht nebeneinander im Waſſer, das Vieh ängſtlih bemüht, den Krokodilen zu entgehen, die Hirten beſchäftigt, leßtere durch Prügel in Furcht zu ſeßen und die Alligatoren mit lüſternen Augen die ihnen ſonſt genehme Beute betrachtend, aber aus Scheu vor den ihnen unangenehmen Prügeln ſich in angemeſſener Entfernung haltend.