Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Mohrenkaiman: Nahrung. Kämpfe. Verteidigung der Jungen. 597

das Gebrüll no< andere Kaimans unter uns verſammelt, die der wütenden Mutter getreulih beiſtanden, während dieſe ſih oft bis weit über die Schultern aus dem Waſſer erhob, um uns von unſerem Standorte herabzureißen. Durch das Vorhalten des am Pfeile zappelnden Jungen ſteigerte mein Begleiter die Wut der raſenden Mutter nur no< höher. Wurde ſie von einem unſerer Pfeile verwundet, dann zog ſie ſih einen Augenbli> unter das Waſſer zurü>k, tauchte aber ſ{hnell wieder auf und erneuerte ihren Angriff mit verdoppeltem Fngrimm. Der bisher ruhige Waſſerſpiegel war zur aufgeregten Wogenmaſſe geworden, da er ununterbrochen von dem gekrümmten Schwanze gepeitſht wurde, und ih muß geſtehen, daß die unglaubliche Kühnheit des Tieres mix das Herz in doppelter Schnelle ſhlagen machte. Ein einziger Fehltritt oder Fehlgriff würde uns unmittelbar dem geöffneten Nahen des Tieres zugeführt haben. Nachdem wir den Vorrat unſerer Pfeile erſchöpft hatten, hielt ih es doh für das Geratenſte, uns ſo vorſichtig wie möglich zurü>zuziehen. Halsftarrig folgte die Mutter uns bis ans Ufer, auf welchem ſie jedo< zurüblieb; denn am Lande iſt der Kaiman zu furhtſam, als daß er gefährlich ſein könnte, ſcheint auh ſelbſt die Wehrloſigkeit, in welcher er ſih auf feſtem Boden befindet, zu kennen, da er auf dem Lande jedesmal ſ{<leunigſt die Flucht ergreift, um in das Element zu gelangen, in welchem er der gefährlichſte Bewohner iſt.

„Die Schilde des Jungen waren no<h weih und biegſam; es konnte alſo erſt vor wenigen Tagen ausgeſhlüpft ſein; ſhon aber verbreitete es einen ſtarken Moſchusgeruch. Nicht weit von der Stelle erbli>ten wir einen breiten Pfad am Ufer, der uns zu dem etwa 10 m vom Waſſer entfernten Lager der Eier führte. Letzteres beſtand aus einer mit Geſtrüpp, Laub und Gras ausgefüllten Vertiefung im Boden und mußte, nah den leeren Schalen zu ſ{ließen, 30—40 Eier enthalten haben, die ſhichtenweiſe übereinander gelegen hatten. Jede Schicht war von der nächſtfolgenden dur< Blätter und Schlamm getrennt, auh über der oberen Schicht ſchien eine ſolche S<hlammde>e gelegen zu haben.

„Vie Kaimans haben ihre Legezeit mit den Schildkröten zugleih, und die Jungen kriehen noch vor dem Eintreten der Regenzeit aus. Auf ihrer Reiſe nah dem Waſſer ſtellen ihnen niht nur die größeren Raubvögel und die Nieſenſtörche, ſondern auh die Männchen des Kaimans na<h. Würde dadur<h nicht der größte Teil der Brut vernichtet, ſo müßten ſie ſich auf eine fur<htbare Weiſe vermehren. Auf Sandbänken ſollen die Weibchen ihre Eier nie verſcharren.

„Anm folgenden Morgen begab ih mich in Begleitung mehrerer Fndianer mit Büchſe und Kugel wieder zur Stelle unſeres geſtrigen Abenteuers. Die Mutter war mit ihren Jungen verſhwunden. Ungeachtet der zahlloſen Köpfe, die über das Waſſer emporragten, und aller Verſuche mit großen Angelhaken, gelang es uns doh niht, eins der Ungetüme in unſere Gewalt zu bekommen. Bei unſerer Nückkehr nah dem Lager aber bat mich der Kaimantöter, der ſih an der Bult angeſiedelt hatte, ihm die Büchſe zurüczulaſſen, da er gewiß no< im Laufe des Tages ein Tier ſchießen würde. Gegen Abend kam er auch bei uns mit der Nachricht an, daß er ſein Wort gehalten habe. Der Kaiman lag no< im Waſſer und war mit einer ſtarken Schlingpflanze um den Hals an einen der Bäume gebunden. Seine Länge betrug 4,5 m. Eine große Wunde, die aber ſhon vernarbt war, mochte er wohl in den wütenden Kämpfen, die während der Paarungszeit zwiſchen den Männchen ausbrechen, erhalten haben. Von den 18 Zehen ſeiner Füße fehlten ihm 3, wie auch der eine Vorderfuß arg verſtümmelt war. Nach der Behauptung der Fndianer rühren dieſe Verſtümmelungen von gefräßigen Fiſchen, den Pirais Pirayas oder Karibenfiſchen her, den einzigen Tieren, wie es ſcheint, die den ausgewachſenen Kaiman beläſtigen. Der Kaimantöter hatte das Ungetüm erſt mit der ſiebenten Kugel erlegt, die dur<h das Auge in das Gehirn gedrungen war.“