Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Driffe Ordnung. Die Schildkröten (Chelonia).

„Die Shhildkrotten““ ſagt der alte Gesner, „ſind auh unter der Zahl der jenigen vierfüſſigen Thiere, ſo Blut haben, und ſih durch die Eyer mehren. Solcher ſind dreyerley Geſchlehte. Etliche wohnen allein in dem Erdreich, etliche in ſüſſen Waſſern, und etliche in

dem weiten Meere, ſie ligen aber alle in einem harten Gehäuſſe, ſo veſt verſchloſſen, daß von ihrem Leibe ganß nihts zu ſehen, dann der Kopff und die äuſſerſten Füſſe und Beine, doh alſo, daß ſie auch dieſelbigen unter die harte und dide Schale oder Hauß ziehen und verbergen können, welches ſo di> iſt, daß auch ein geladener Wagen, wann ex gleih darüber fährt, dieſelbigen nicht zerbrechen mag, ihr Kopf und die Füſſe, ſo ſie herauß ſtre>en,

find ganß ſhüppigt wie eine Schlange oder Natern.“ |

Unſer Forſcher rehnet, wie die Alten überhaupt, die Schildkröten noh zu den vierfüßigen Tieren, „ſo Blut haben, und ſih dur die Eyer mehren“/; frühere Tierfundige eröffneten wohl au< mit ihnen die Klaſſe der Kriehtiere, weil ſie der Anſicht waren, daß ſie hinſichtlih der Bildung des Bruſtbeines und der Kieferbewaffnung eine gewiſſe Ähnlithkeit mit den Vögeln hätten. Abgeſehen hiervon dürfte ſich kein Grund weiter finden laſſen, die leiblih und geiſtig wenig begabten, ſ{<werfälligen, ſtumpfſinnigen und dummen Geſchöpfe anderen Kriechtieren voranzuſtellen.

Der Bau der Schildkröten iſt ſo eigentümlich und weicht von dem der anderen Glieder ihrer Klaſſe ſo weſentlich ab, daß ſie nicht verkannt werden können. FJhr in einem Panzer ſtedender Leib, der plumpe Kopf, deſſen Kiefer, wie der Vogelſhnabel, mit Hornſchneiden bede>t ſind und niemals Zähne tragen, und die kurzen, gleichſam ſtummelhaften oder zu langen, ſ{<malen Floſſen umgewandelten Füße ſind Merkmale, die ſi< mit denen anderer Tiere nicht vergleichen laſſen. Der Panzer beſteht aus zwei Teilen, dem Ober- oder Rükenund dem Unter- oder Bauchpanzer. Erſterer iſt mehr oder weniger gewölbt, länglih, rundli oder herzförmig, der leßtere ſchildartig, eirund oder abgerundet kreuzförmig, da ſeine Verbindungsſtelle mit dem Rückenpanzer ſi verſhmälern kann. Die Verbindung ſelbſt wird hergeſtellt dur< Knorpelmaſſe, die entweder während des ganzen Lebens weich bleibt und dann Ähnlichkeit mit einer Naht gewinnt oder verknöchert. So bilden beide Panzer zuſammen eine Kapſel, die nur vorn und hinten zum Durchlaſſen des Kopfes, der Füße und des Shwanzes geöffnet iſt, alſo den Rumpf mehr oder weniger vollſtändig in ſi einſchließt. Der Kopf iſt gewöhnlich eiförmig, hinten quer abgeſtußt, an der Schnauze bald mehr, bald weniger vorgezogen, der Hals verſchieden lang, immer aber verhältnismäßig ſehr beweglich; die vier Füße ſind entweder Gang:-, Shwimm- oder Floſſenfüße; der meiſt kurze, walzenoder kegelförmige, mehr oder weniger zugeſpißte Shwanz ändert hinſichtlich ſeiner Länge