Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

556 Dritte Ordnung: Schildkröten; zweite Familie: Alligatorſchildkröten.

hin und wieder nah den Elxißen; kaum aber war einer von ihnen, ein Fiſh von etwa 40 cm Länge, innerhalb ihres Schnappbereiches, als ſie plößlih den Kopf hervorwarf und ihn feſthielt, indem ſie ihren Adlerſhnabel tief in ſeine Seiten und ſeinen Bauch einhieb. Hierauf zog ſie den Fiſh unter ſi<, drü>te ihn mit ihren Vorderfüßen gegen den Felſen und verzehrte ihn gierig, ganz ſo, wie ein Falke ſeine Beute verſchlingt. Nun nahm ih einen ſtarken Angelhaken, befeſtigte daran eine Elriße als Köder und warf ihr die Angel zu, entſchloſſen, mi von dieſer geſchi>ten Fiſhräuberin zu befreien; ſie faßte, und vermittelſt eines {nellen Rukes mit meiner Hand ſtach ih die Angel in ihren Unterkiefer. Da ich ſie zu ſhwer fand, um ſie über den noh 2 m über dem Waſſer emporragenden, ſenkrechten Felſen heraufzuziehen, führte ih ſie an der Angelſchnur an das andere Ufer des Teiches, wo das Ufer niedrig und das Waſſer ſeiht war; doh hier legte ſie ſih, nachdem ih ſie bis auf eine Entfernung von 60 ecm dem Ufer nahe gebraŸt, plöglih vor Anker, indem ſie ihre Vorderfüße vorwärts ſtre>te und ſtemmte, und troß der größten Anſtrengung konnte ic ſie niht näher heranziehen. Sie ſchien in einer furhtbaren Wut zu ſein, ſhnappte wiederholt nah der Leine, brach endli<h den Angelhaken ab und zog ſi in den tiefſten Teil des Teiches zurü>. Niemals konnte ih ſie fortan wieder dazu bringen, nach irgend etwas zu beißen; ſie war überhaupt von nun an ſehr ſcheu, da ſie gemerkt hatte, daß ich ihr nah dem Leben trachtete. Jh fand ſie fernerhin nux im tiefen Waſſer; auf den Felſen wagte ſie ſih nie wieder. Einſt warf ih eine Harpune nach ihr, traf ſie au< glü>li< in den Hals; durc eine gewaltige Kraftanſtrengung der Vorderfüße aber riß ſie den Spieß los und rannte unter den Felſen. Später ſah ich ſie noch oft, jedoh immer nur während ihres Rückzuges nah dem Shlupfwinkel, der ganz unzugänglih war. Jh beabſichtigte nun, eine eiſerne, mit Nindfleiſh geköderte Falle zu verſenken, um endlih doh die Schlaue zu überliſten; mein baldiger Abgang von jenem Orte aber rettete ihr damals das Leben. Jh zweifle nicht daran, daß ſie ſih noh heute ihres Daſeins freut; denn ih hatte eine Menge von Fiſchen in ihrem Teiche zurü>gelaſſen.“

Die Shnappſchildkröte war es, die Agaſſiz ſeinen Unterſuchungen über die Ent: wicelung der Schildkröten zu Grunde legte, weil ſie in der Nähe von Cambridge ziemlich häufig vorkommt, und beſonders weil ihre denen der Tauben an Größe ziemlih gleichfommenden, mit falfiger Schale umhüllten Eier, 20 —80 an der Zahl, die ſie in der Nähe des Waſſers in die Erde gräbt und mit Laub bede>t, leiht geſammelt werden fonnten. „Monatelang“, ſagt Weinland, der an jenen Unterſuchungen einen weſentlichen Anteil nahm, „ſhlüpften täglih ſolche Schildkröten aus den in Sand und Moos gelegten Eiern, und — merkwürdig : die erſte Bewegung des aus der Shale hervorbrechenden Köpfchens war die des Shnappens und Beißens!“ Genau dasſelbe erfuhr früher der Prinz von Wied.

Alt eingefangene Schnappſchildkröten verweigern gewöhnlih, Nahrung zu ſih zu nehmen, jüngere hingegen können zum Freſſen gebraht werden. Eine, die Müller gefangen hielt, fraß ein volles Fahr nihts. „Jh bot ihr alles Mögliche an, jedo<h vergebens. Jm Anfange biß ſie hinein, ſpäter aber mi in die Hände, da ſie zu wiſſen ſchien, daß ſie dadurh Schmerz verurſache und ſi< an mir rächen könne. Oft hing ih ihr einen Streifen Fleiſch auf die Naſe, und ſie ſpazierte damit in der Stube umher; es half nicht einmal etwas, wenn man ihr das Fleiſch in den Mund ſte>te.“ Eine Geierſchildkröte von 40 kg Gewicht, die Weinland beobachtete, ließ die in ihren Waſſerbehälter geſeßten Fiſche unberührt an ihrem Kopfe vorbeiſhwimmen oder auh Fröſche neben ſi< umherhüpfen und biß, wenn man ihr Nahrung zwiſchen die Kiefer ſte>te, den Biſſen entzwei, ohne zu ſ{<lu>en. Nach einer Mitteilung E. B. Poultons öffnet dieſe Art, wenn ſie hungrig iſt, das Maul und ſtre>t zwei an der Spitze der Zunge liegende Fäden, die ſie