Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

598 Dritte Ordnung: Schildkröten; ſe<ſte Familie: Meerſchildkröten.

Männchen hielt es mit den beiden Vorderfloſſen feſt. Will man ih paarende Schildkröten erbeuten, ſo brau<ht man nur das Weibchen zu töten; denn das Männchen hat man dann ſicher.“ Wie viel Zeit nah der Paarung vergeht, bis die erſten Eier legereif ſind, weiß man niht. Jn der Nähe des Strandes angekommen, wartet die Schildkröte ihre Zeit ab und begibt ſi<h dann abends mit großer Vorſicht ans Land. Schon am Tage ſieht man ſie, nah Beobachtung des Prinzen von Wied, unweit der Küſte umherſhwimmen, wobei ſie den di>en, runden Kopf allein über dem Waſſer zeigt, den Rückenpanzer aber eben nur an die Oberfläche des Waſſers bringt. Hierbei unterſucht ſie die ſelten beunruhigten Küſten auf das genaueſte. Audubon, der ſie von einem Verſte>plaße aus beobachtete, verſichert, daß ſie, ehe ſie ans Land ſteigt, no< beſondere Vorſichtsmaßregeln ergreife namentli<h einen pfeifenden Laut ausſtoße, der etwa verſte>te Feinde verſcheuchen ſoll. Das geringſte Geräuſch veranlaßt ſie, ſih augenbli>li<h in die Tiefe des Meeres zu verſenken und. eïnen anderen Plaß aufzuſuchen; ja, nah St. Pierres Verſicherung ſoll ein Schiff, das einige Stunden in der Nähe einer Brutinſel ankert, die vorſichtigen Geſchöpfe tagelang aus der Nähe des Eilandes vertreiben und ein Kanonenſchuß ſie ſo änaſtigen, daß ſie erſt nah Wochen wieder in der Nähe der Küſten erſcheinen. Bleibt alles ruhig und ſtill, ſo nähert ſi<h die Schildkröte endlih langſam dem Strande, trieht auf das Tro>ene und ſchiebt ſi< mit hoh erhobenem Haupte bis in eine Entfernung von 30 oder 40 Schritt jenſeits der Flutmarke, ſchaut ſih hier nohmals um und beginnt nunmehr ihre Eier zu legen. Hierbei hat ſie der Prinz von Wied beobachtet und uns darüber Nachſtehendes mitgeteilt. „Unſere Gegenwart ſtörte ſie niht bei ihrem Geſchäfte; man konnte ſie berühren und ſogar aufheben (wozu aber vier Männer nötig waren); bei all den lauten Zeichen unſeres Erſtaunens und den Beratſchlagungen, was man wohl mit ihr anfangen ſollte, gab ſie kein anderes Zeichen von Unruhe als ein Blaſen, wie etwa die Gänſe thun, wenn man ſih ihrem Neſte nähert. Sie fuhr mit ihren floſſenartigen Hinterfüßen langſam in der einmal begonnenen Arbeit fort, indem ſie gerade unter ihrem After ein cylinderförmiges, etwa 25 cm breites Loh in dem Sandboden aushöhlte, warf die herausgegrabene Erde äußerſt geſhi>t und regelmäßig, ja gewiſſermaßen im Takte zu beiden Seiten neben ſi hin und begann alsdann ſogleih ihre Eier zu legen. Einer unſerer beiden Soldaten legte ſi< nun ſeiner ganzen Länge nah neben die Verſorgerin unſerer Küche auf die Erde nieder, griff in die Tiefe des Erdloches hinab und warf die Eier beſtändig heraus, ſowie die Schildkröte ſie legte. Auf dieſe Art ſammelten wir in einer Zeit von etwa 10 Minuten an 100 Eier. Man beratſchlagte nun, ob es zwe>mäßig ſei, dieſes ſhöne Tier unſeren Sammlungen einzuverleiben; allein das große Gewicht der Schildkröte, für wel<he man ein beſonderes Maultier einzig und allein hätte beſtimmen müſſen, und überdies die Schwierigkeit, die ungefüge Laſt aufzuladen, beſtimmten uns, ihr das Leben zu ſchenken und uns mit ihrem Zoll an Eiern zu begnügen. Als wir nah einigen Stunden an den Strand zurückkehrten, fanden wir ſie niht mehr vor. Sie hatte ihr Loch verde>t, und eine breite Spur im Sande zeigte, daß ſie ihrem Elemente wieder zugekrochen war.“

Jn ſeinen „Beiträgen zur Naturgeſchichte Braſiliens“ fügt der Prinz von Wied dem eben Mitgeteilten noh Folgendes hinzu: „So viel weiß ih aus Erfahrung, daß dieſe Tiere in der Zeit des braſiliſhen Sommers, während der Monate Dezember, Fanuar und Februar, ſi in Menge den Küſten nähern, um daſelbſt ihre Eier zu verſcharren. Hierin kommen alle Meerſchildkröten miteinander überein, und die Erzählung der Art und Weiſe dieſes Geſchäftes, von welchem ih Augenzeuge wax, gilt für alle dieſe durch gleichartigen Bau und gleiche Lebens8weiſe verwandten Tiere. Zum Eierlegen iſt ihnen in den von mir bereiſten Gegenden die unbewohnte Stre>e beſonders günſtig, die ſih in einer Ausdehnung