Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

610 Dritte Ordnung: Schildkröten; ſiebente Familie: Pelomeduſen.

ganzen Tag auf dem Ufer. Anfangs März vereinigen ſih die zerſtreuten Haufen und ſ{<wimmen nun zu den wenigen Fnſeln, auf welchen ſie gewöhnlich ihre Eier legen: wahrſcheinlih kommt dieſelbe Schildkröte jedes Jahr an das nämliche Ufer. Wenige Tage vor dem Legen erſcheinen viele Tauſende von ihnen in langen Reihen an den Ufern der Fnfeln Cucuruparu, Uruana und Pararuma, re>en den Hals und halten den Kopf über das Waſſer, ausſ<hauend, ob nichts von „Tigern“ oder Menſchen zu fürchten ſei. Die Fndianer, denen viel daran liegt, daß die vereinigten Shwärme auc zuſammenbleiben, ſtellen längs des Ufers Wachen auf, damit die Tiere nicht zerſtreut werden und in aller Ruhe ihre Eier legen können. Man bedeutet den Leuten auf den Fahrzeugen, ſi< mitten im Strome zu halten und die Schildkröten niht dur ihr Geſchrei zu verſcheuchen.

„Die Eier werden immer bei Nacht, aber gleih von Sonnenuntergang an gelegt. Das Tier gräbt mit ſeinen Hinterfüßen, die ſehr lang ſind und krumme Klauen haben, ein meterweites und 60 cm tiefes Loch, deſſen Wände es, um den Sand zu erweichen, nah Behauptung der Judianer mit ſeinem Harne beneben ſoll. Der Drang zum Eierlegen iſ ſo ſtark, daß manche Schildkröten in die von anderen gegrabenen, no<h nict wieder mit Erde ausgefüllten Löcher hinabgehen und auf die friſchgelegte Eierſchicht no< eine zweite legen. Bei dieſem ſtürmiſhen Durcheinander werden ſo viele Eier zerbrochen, daß der Verluſt, wie der Miſſionar uns dur den Augenſchein belehrte, ein Drittel der ganzen Ernte betragen mag. Wir fanden Quarzſand und zerbrochene Eierſchalen durch das ausgefloſſene Dotter der Eier zu großen Klumpen zuſammengekittet. Es ſind der Tiere, die in der Naht am Ufer graben, ſo unermeßlih viele, daß manche der Tag überraſcht, che. ſie mit dem Legen fertig werden konnten. Dann beeilen ſie ſi< mehr als je, ihre Eier los zu werden und die gegrabenen Löcher zuzude>en, damit der Jaguar ſie niht ſehen möge. Sie, die verſpäteten, achten dabei auf feine Gefahr, die ihnen ſelbſt droht, fondern arbeiten unter den Augen der Fndianer, die frühmorgens auf das Ufer kommen und ſie „närriſche Schildkröten“ nennen. Troß ihrer ungeſtümen Bewegungen fängt man ſie leicht mit den Händen.

„Die drei Jndianerlager an den oben genannten Orten werden in den leßten Tagen des März oder den erſten Tagen des April eröffnet. Die Eierernte geht das eine Mal vor ſih wie das andere, mit der Regelmäßigkeit, die bei allem herrſcht, was von Mönchen ausgeht. Che die Miſſionare an den Fluß kamen, beuteten die Eingeborenen das Erzeugnis, das die Natur hier in ſo reicher Fülle bietet, in geringerem Maße aus. Jeder Stamm durhwühlte das Ufer nach ſeiner eignen Weiſe, und es wurden unendlich viele Eier mutwillig zerbrochen, weil man nicht vorſichtig grub und mehr Eier aufde>te, als man mitnehmen konnte. Es war, als würde eine Erzgrube von ungeſchi>ten Händen ausgebeutet. Den Jeſuiten gebührt das Verdienſt, dieſe Ausbeutung geregelt zu haben. Sie gaben nicht zu, daß das ganze Ufer. aufgegraben wurde, ließen vielmehr ein Stü unberührt liegen, weil ſie beſorgten, die Schildfröôten möchten, wenn niht ausgerottet werden, ſo doh bedeutend abnehmen.“ Fett wühlt man wieder das ganze Ufer rü>jichtslos um; man glaubt aber auch zu bemerken, daß die Ernten von Jahr zu Jahr geringer werden.

„Jt das Lager aufgeſchlagen, ſo ernennt der Miſſionax ſeinen Stellvertreter, der den Landſtrich, wo die Eier liegen, nah der Anzahl der Sndianerſtämme, die ſih in die Ernte teilen, in Loſe zerlegt. Er beginnt das Geſchäft damit, daß er mit ſeiner Stange unterſu<t, wie weit die Eierſchicht im Boden reicht. Nach unſeren Meſſungen erſtre>t ſie ſich bis zu 40 m vom Ufer und iſt im Durchſchnitte 1 m tief. Der Beauftragte ſte>t ab, wie weit jeder Stamm arbeiten darf. Nicht ohne Verwunderung hört man den Ertrag der Eierernte wie den Ertrag eines Getreidea>ers abſchäßen. Es kommt vor, daß ein Flähenraum von 40 m Länge und 10 m Breite 100 Krüge oder für 1000 Frank Öl liefert. Die Jndianer graben den Boden