Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

612 Dritte Ordnung: Schildkröten; ſiebente Familie: Pelomeduſen.

ihnen aufſtoßen? Die Arrauſchildkröte erkennt ſicher, ſo gut wie das Krokodil, den Ort wieder, wo ſie ihr Neſt gemacht hat; da ſie aber niht wagt, ans Ufer zu kommen, wenn die Indianer ihr Lager aufgeſchlagen haben, wie könnte ſie ihre Jungen von fremden unterſcheiden? Anderſeits wollen die Otomaken beim Hochwaſſer weibliche Schildkröten geſehen haben, die eine ziemlihe Anzahl junger Schildkröten hinter ſi< hatten, folche, welche allein an einem einſamen Ufer gelegt hatten und zu dieſem wieder zurükommen fonnten. Männliche Tiere ſind unter den Schildkröten ſehr ſelten: unter mehreren Hunderten trifft man kaum eins. Der Grund dieſer Erſcheinung kann aber nicht derſelbe ſein wie bei den Krokodilen, die in der Brunſt einander blutige Gefechte liefern.

„Das Erntegeſchäft und die Zubereitung des Öles währen 8 Wochen, und nur um dieſe Zeit ſtehen die Miſſionen mit der Küſte und den benachbarten geſitteten Ländern in Verkehr. Die Franziskaner, die ſüdlih von den Fällen leben, kommen zur Eierernte, weniger um ſi<h Öl zu verſchaffen, als um weiße Geſichter zu ſehen. Die Ölhändler haben 60—70 vom Hundert Gewinn; denn die Jndianer verkaufen den Krug für einen harten Piaſter an ſie, und die Verſandkoſten betragen nur ?/s Piaſter für den Krug. Alle Indianer, die an der Eierernte teilnehmen, bringen au< ganze Maſſen an der Sonne getro>nete oder leicht geſottene Eier mit nah Hauſe. Unſere Ruderer hatten ſolche ſtets in ihren Körben oder in kleinen Sä>en von Baumwollzeug. Der Geſ<hma>® kam uns nit unangenehm vor, ſolange ſie no<h gut erhalten waren.“

Daß die Eier der Arrauſchildkröte au< von anderen geſhäßt werden, ergibt ſih aus nachſtehender Schilderung Shomburgks. „Den Jubel, mit welhem die Bootsleute gewiſſe Sandbänke des Eſſequibos begrüßten, konnte ih nicht eher enträtſeln, als bis mehrere der Indianer, ehe noh die Kähne landeten, ungeduldig in den Fluß ſprangen, nah einer der Sandbänke hwammen, dort im Sande plößlih zu ſcharren begannen und eine Menge Eier zum Vorſchein brachten. Die Legezeit der Schildkröten hatte begonnen, eine Zeit, welcher der Jndianer mit ebenſo großer Sehnſucht entgegenſiecht wie unſere Gutſhme>er dem Schnepfenſtriche oder dem Beginne der friſchen Auſternſendungen. Die Begierde der Indianer war ſo groß, daß ſie, glaube ih, au< wenn Todesſtrafe auf eigenwilligem Verlaſſen des Kahnes geſtanden hätte, ſih niht würden haben abhalten laſſen, nah den Sandbänken zu ſ<hwimmen, die in ihrem Schoße die wohlſhme>enden Eier bargen. Als ih jenen gefeierten Le>erbiſſen kennen gelernt hatte, fand ich die Leidenſchaft der Fndianer erklärlih. Was ſind unſere vielgeprieſenen Kiebißeier gegen das Ei dieſer Schildkröte!

„Das Tier begibt ſich auf dieſen Sandbänken meiſt 80 —140 Schritt landeinwärts, ſharrt dann eine Vertiefung in den Sand, legt die Eier ab, bede>t ſie mit Sand und kehrt zum Waſſer zurü>. Ein Europäer würde ohne Erfahrung im Aufſuchen dieſer Eier ſich lange vergeblich bemühen; der fundige Sohn des Waldes aber täuſcht ſi ſelten und entfernt den Sand an einer Stelle faſt nie, ohne unmittelbar darunter die Eier zu finden. Eine leichte, wellenförmige Erhöhung der Sandfläche verrät ihm die Stelle des Neſtes, ein Zeichen, das wix nicht eher unterſcheiden lernten, als bis wir einige Sandbänke ſahen, deren ganze Oberfläche ein wellenförmiges Äußeres hatte. Das Eiweiß, das beim Kochen niht hart wird, ſondern vollſtändig im flüſſigen Zuſtande bleibt, läßt man auslaufen und genießt nur das wohlſ<hme>ende und nahrhafte Dotter. Einen ausgezeihneten Le>erbiſſen lieferten uns die rohen Dotter mit Zu>ker und einigen Tropfen Rum vermiſcht, was ihnen eine überraſhende Ähnlichkeit mit dem feinſten Marzipan gab.

„Als Legezeit der Schildkröte im Amazonenſtrome gibt von Martius die Monate Oktober und November an: nah Humboldt fällt ſie für den Orinoko in den März; im Eſſequibo dagegen beginnt ſie mit Januar und währt höchſtens bis Anfang Februar. Dieſe Verſchiedenheit der Legezeit ſ{heint genau mit dem verſchiedenen Eintritte der Regenzeit