Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Arrauſchildkröte. — Flußſchildkröten: Allgemeines 613

innerhalb der Grenzen der drei Stromgebiete in Verbindung zu ſtehen. Die Tiere entledigen ſi< ihrer Eier während jener günſtigen Tage, in welchen die Sonne vor dem Eintritte der großen Regenzeit noch die Zeitigung der Eier beendigen kann. Für den Fndianer iſt das Erſcheinen der jungen Schildkröten das ſicherſte Merkmal für den baldigen Beginn der Teßteren; denn wenn jene, nahdem ſie ausgekrohen ſind, dem Waſſer zueilen, kann man ſicher darauf re<hnen, daß die Regenzeit nahe iſt. 40 Tage, nachdem das Ei gelegt worden iſt, dur<hbriht das Junge die Pergamentumhüllung und \{lüpft aus.“

Außer von dem Menſchen, deſſen regelre<t betriebene Eierplünderung dem auh noch heutigestags zahlreichen Heere der Arrauſchildkröten die erheblichſten Verluſte zufügt, haben ſie au< von Raubtieren zu leiden. „Man zeigte uns“ {ließt Humboldt ſeine maleriſche Schilderung, „große, von Faguaren geleerte Schildkrötenpanzer. Dieſe „Tiger“ gehen den Arraus auf den Uferſtrichen nah, wenn ſie legen wollen, überfallen fie dabei und wälzen ſie, um ſie gemächlih verzehren zu können, auf den Rücken. Aus dieſer Lage können die Schildkröten ſi< niht aufrihten, und da der Tiger ihrer weit mehr umwendet, als er in einer Nacht verzehren kann, ſo machen ſih die Jndianer häufig ſeine Liſt und ſeine boshafte Habſucht zu nuße.“ Auch C. Sachs hat ausgeleerte Panzer gefunden.

„Wenn man bedenkt, wie ſhwer der reiſende Naturforſcher den Körper der Schildfröte herausbringt, falls er Rü>en- und Bruſtpanzer nicht trennen will, kann man die Gewandtheit des Tigers niht genug bewundern, der mit ſeiner Tate den Doppelſchild des Arraus leert, als wären die Anſäße der Muskeln mit dem Meſſer eines Wundarztes losgetrennt. Der Tiger verfolgt die Schildkröte ſogar in das Waſſer, falls dieſes nicht ſehr tief iſi, gräbt auch die Eier aus, iſt überhaupt neben dem Krokodile, den Reihern und den Rabengeiern der furchtbarſte Feind der friſ<h ausgeſhlüpften Schildkröten. Jm verfloſſenen Fahre wurde die Jnſel Pararuma während der Eierernte von ſo vielen Krotodilen heimgeſucht, daß die Jndianer in einer einzigen Nacht ihrer 18 bis 4 m lange mit hakenförmigen, dur<h Seekuhfleiſh geköderten Eiſen fingen. Außer den eben erwähnten wilden Tieren thun auch die wilden Jndianer der Ölbereitung bedeutenden Eintrag. Sobald die erſten kleineren Regenſchauer, von ihnen Schildkrötenregen genannt, ſi einſtellen, ziehen ſie an die Ufer des Orinokos und töten mit vergifteten Pfeilen die Schildkröten, die mit emporgere>tem Kopfe und ausgeſtre>ten Beinen ſi< ſonnen.“

Neuerdings hat E. A. Göldi nach einem ungedru>ten Berichte J. M. da Silva Coutinhos weitere eingehende Mitteilungen über die Arrauſchildkröte des Amazonenſtromes gemacht. Vom Fanuar bis zum Juli lebt ſie in den Lachen und Uferſeen der überſ<wemmten Waldungen und frißt faſt aus\cließli< abgefallene Baumfrüchte. Mit dem Nebe werden ſie im Auguſt, zu anderer Zeit aber mit Harpune und Pfeil gefangen. Die Begattung erfolgt im Waſſer; die Eier werden Ende September bis Oktober in der Morgenfrühe abgelegt; 80—200 Eier füllen die 45—60 cm tiefe Grube. Die Eier werden gegeſſen, oder es wird aus ihnen in großem Maßſtabe „Butter“ gewonnen, die zum Teerzufave, zu Beleuchtungszwe>en, ſeltener zur Speiſebereitung verwendet wird; ſelbſt die eben ausgeſhlüpften Jungen werden nicht geſchont. Jnfolge der rüdſihtsloſen Vertilgung haben dieſe Schildkröten ſhon fühlbar abgenommen.

Flußſchildkröten (Chelydidae) nennen wir eine zweite Familie der Hals3wender, die, im übrigen den Pelomeduſen ähnlich, den Nacen überhaupt nicht einziehen können, ſondern ihn ſeitlih unter die Ränder des Panzers ſchlagen, und deren Rückenpanzer meiſt eine deutliche Naenplatte zeigt. Der mit 13 Platten ausgeſtattete Bauchpanzer iſt nur