Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

S<hlangenhalsſ<hildtröte — Weihſ<hildkröten: Allgemeines, 619

In dieſe Reihe gehört nur die Familie der Weichſchildkröten (Trionychidae), deren Vertreter jet die Flüſſe und Ströme Aſiens, Nordamerikas und Afrikas beleben, in der mittleren Tertiärzeit aber auh im weſtli<hen Deutſchland zu den häufigſten Flußbewohnern gehöxten. Nux einzelne Arten der Gattung Emyda ſind, nah Kelaart und W. T. Blanford, gelegentli<h auh außerhalb des Waſſers und in ziemliher Entfernung davon angetroffen worden. Man kennt von ihnen 26 lebende Arten, die ſi<h auf 6 Gatzungen verteilen: 15 aus Aſien, 6 aus Nordamerika, 5 aus Afrika.

Sehr merkwürdig iſt die Atmung der Weichſchildkröten. Nachdem bereits A. Agaſſiz früher gezeigt hatte, daß im Schlunde der nordamerikaniſchen Dreiklauer ſich zottenartige Gebilde befänden, die anſcheinend zu einer Art von Kiemenatmung dienten, hat S. H. Gage 1884 den Nachweis geführt, daß bei dieſen Schildkröten in der That wie bei den Lurchfiſhen und einigen Shmelzſchuppern eine Luftatmung aus dem Waſſer mit einer reinen Luftatmung zugleich vorkomme und abwechſelnd bewerkſtelligt werden könne. Die Verſuchstiere blieben 2—10 Stunden freiwillig und 15 Stunden unfreiwillig in fließendem Waſſer untergetaucht, ohne Schaden zu nehmen. Die Atmung mußte alſo mit der Luft beſtritten werden, die im Waſſer aufgelöſt iſt. Eine <hemiſhe Unterſuchung ergab einen ſtarken Sauerſtoffverluſt dieſer an das Atemwaſſer gebundenen Luft und eine beträchtliche Kohlenſäurezunahme. Als innere Kiemen bethätigen ſich hierbei fadenförmige häutige Anhänge und Zotten, die die Schleimhaut der Rachenhöhle dicht beſeßen und durch reichliche Blutzufuhr rot und ſtark geſhwellt erſcheinen.

Jhre Lebensweiſe iſt no< wenig bekannt; doh weiß man, daß ſie nux, um ihre Eier abzulegen, auf einige Zeit das Waſſer verlaſſen, im übrigen aber in ihm ihr Daſein verbringen. Obwohl ſie auf feſtem Boden keineswegs ungeſchi>t laut Baker vielmehr ziemlih raſh laufen ſollen, unternehmen ſie doh nur äußerſt ſelten weitere Fußwanderungen, laſſen ſi< au< dann nicht zu ſolchen bewegen, wenn ein von ihnen bewohntes Gewäſſer austro>net, ſondern graben ſi< unter ſo mißlihen Verhältniſſen einfah in den Sthlamm ein und erwarten hier eine neue Zeit der Waſſerfülle. Um ſo unternehmender erweiſen ſie ſi, ſolange ihnen das Waſſer Wege und Pfade bietet. Eine Art hat man in niht unbeträchtlicher Entfernung von der Mündung ihres heimatlichen Stromes im offenen Meere gefangen, und es läßt ſi< annehmen, daß derartige Ausflüge in die See niht allzu ſelten ſein dürften. Alle Ströme nämlich, die in einen beſtimmten Meeresteil und in nict zu großer Entfernung voneinander ausmünden, beherbergen in der Negel dieſelben Arten, wogegen verſchiedenen Meeresteilen zuſtrömende und in ihrem oberen Laufe niht dur< Gabelungen verbundene Flüſſe gewöhnlich von verſchiedenartigen Weichſchildfröten bewohnt werden. Abgeſehen von den Seeſchildkröten ſind ſie unter allen Ordnungsverwandten diejenigen, die freiwillig die weiteſten Wanderungen unternehmen.

Von ihrem Thun und Treiben im Waſſer nimmt man wenig wahr. Alle Arten \ceinen Nachttiere zu ſein und ihre eigentliche Thätigkeit erſt na< Sonnenuntergang zu beginnen. Am Tage liegen ſie, halb oder gänzlih im Schlamme eingebettet, träge auf einer Stelle, oft in ſehr ſeihtem Waſſer, das leichter als die Tiefe von der Sonne dur<hwärmt werden fann; nachts betreiben ſie ihre Jagd auf allerlei <wimmendes Getier, namentlich auf Fiſche und Waſſermuſcheln. Dies ſchließt nicht aus, daß ſie nicht ebenſo in den Tagesſtunden eine ihnen ſi< bietende Beute wegnehmen ſollten; ſie ſhnappen auh, wenigſtens ſolange die Sonne am Himmel ſteht, gierig nah einem Köder an der Angel. Bon der im Nil lebenden Art haben mix die Araber erzählt, daß ſie ein Fiſhräuber ſei, und von ihnen verſichert auh Baker, daß ſie mit großer Entſchloſſenheit an den Köder gehen.

Für die Naubluſt, mittelbar alſo auch für die tieriſche Nahrung der Weichſchildkröten ſpricht ebenſo der Mut wie die nict ſelten in Wut übergehende Bosheit, die ſie bethätigen,