Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

668 Erſte Ordnung: Froſchlurche; zweite Familie: E<hte Fröſche.

bewegungsloſer Biſſen gelenkt habe, und belegt dieſe Anſicht meines Erachtens triſtig durch die beahtenswerte Beobachtung, daß von den Fröſchen auh tote Fliegen, die oft lange Zeit auf dem Waſſerſpiegel umhertrieben, erſt dann weggeſ<hnappt wurden, wenn ein anderes Tier ihnen zuvorzukommen drohte. Heftige Verfolgung und Biſſe, die dem Mitbewerber zu teil wurden, man<hmal noch ehe er ſeine Beute erhaſcht hatte, gaben dieſelbe Leidenſchaft ebenſo unzweideutig kund. Daß den Waſſerfroſ<h neben Regſamkeit und Munterkeit, neben Vorwiß, Schre>haſtigkeit und Geſräßigkeit kein Zug ſeines Weſens fo ausgeprägt tennzeihnet wie Neid, „dieſer Zögling der Geſelligung“, ſteht nah Gredlers Beobachtungen unzweifelhaft feſt.

Jm Verhältnis zu ſeiner Größe darf unſer Froſch ein tüchtiges Raubtier genannt werden. Er genießt nur ſelbſterworbene Beute und bloß lebende Tiere; was ſich niht vor ihm bewegt, reizt ihn niht zum Sprunge. Wie geiſtig tiefſtehende Geſchöpfe insgemein, erkennt er eim lebendes Weſen erſt an deſſen Bewegung. Während er vor einem heranſchreitenden Menſchen ſhre>haft flüchtet, achtet er des ruhig ſißenden Anglers nicht früher, als bis dieſer die Fangrute ſchnellt. Dies iſt niht Unachtſamkeit, ſondern Shwäche des Erkennungsvermögens, wie wir ſie in niht geringerem Grade auch bei weit höher ſtehenden Tieren wahrnehmen können. Von ſeinem Ruheſiße aus achtet er auf alles, was um ihn her vorgeht, als ob er auf der Lauer liege, ſpringt, wenn ſich ihm eine Beute naht, auf ſie los, ſ<lägt die Zunge vor und ſ{<lu>t ſie hinab. Für gewöhnlich bilden Kerbtiere, nah Gredlers Beobachtungen auch ſtehende Jmmenarten, beiſpielsweiſe Weſpen, außerdem Spinnen und Schne>ken ſeine Hauptnahrung, und gerade deshalb erwirbt er ſih große Verdienſte; ex ſchadet jedo< auch wieder, da ſeine Gefräßigkeit ihn zu Eingriffen in unferc Rechte verleitet, die wir ihm niht verzeihen können. Gegen jüngere ſeiner Art oder Verwandte, namentlih gegen den Grasfroſh, beweiſt er wenig Rückſicht; was vor ihm zappelt, bewältigt und verzehrt werden kann, iſt ihm willkommen, wie groß der verſclingbare Biſſen auh ſein möge.

Aus dem Winterverſte&e kommen zuerſt die jungen Tiere hervor, mitunter bei ret günſtigem Wetter bereits Anfang April. Erſt wenn der Frühling wirklich eingetreten iſt, alſo viel ſpäter als Laub- und Grasfroſh, beginnt der Waſſerfroſh ſein Fortpflanzungsgeſchäft, ſelten vor Ende Mai, meiſt erſt im Juni. Sein Paarungstrieb iſt wie bei den meiſten Gliedern ſeiner Verwandtſchaft ſo heftig, daß er in Ermangelung eines Weibchens der eignen Art auh ſremde Lurche und ſelbſt Fiſche, überhaupt lebende Weſen, auf das innigſte umarmt, doh dauert die Brunſtzeit bei heißem Wetter ſelten länger als 8 Tage. Ein Waſſerfroſh, den Gredler pflegte, zeigte ſih ſhon im Februar paarungsluſtig und unterhielt „die unzweideutigſten Beziehungen“ mit einer Wechſelkröte wie mit einem Laubfroſhe; andere wurden bei ähnlichen Verirrungen beobachtet. Die Begattung geſchieht wie bei anderen Fröſchen auh, währt aber länger. Das Männchen umarmt das Weibchen brünſtig und drü>t durch die Kraft ſeiner Arme und die Laſt ſeines Körpers die Eier geradezu heraus; innere Verleßzungen infolge der Umarmung des Männchens ſollen das Weibchen zuweilen ſo entkräften, daß es dabei verendet. Die Eier ſehen hellgelb, auf einer Seite aber graugelb aus, umhüllen ſi< beim Durchgange im Eileiter mit der gallertartigen Maſſe, fallen na< dem Legen zu Boden und bleiben hier liegen. An Größe ſtehen ſie denen des Grasfroſches, ja ſogar denen des Laubfroſches etwas nach; dafür ſind ſie um ſo zahlreicher, und wenn die Witterung während der Laichzeit günſtig iſt, entwi>eln ſi aus ihnen ſo viele Larven und aus dieſen Fröſche, daß ein Ausſterben der Art niht zu befürchten ſteht. Schon am vierten Tage bewegt ſich der Keimling, am Ende des fünften oder ſechſten plat das Eilein, und man ſieht nun die millimeterlange graugelde Kaulquappe ſich zitternd bewegen, bald darauf auh ſ{hwimmen. Unter dem Vergrößerungsglaſe