Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

670 Erſte Ordnung: Froſchlurche; zweite Familie: Ehte Fröſche.

Der Seefſroſch (var. ridibunda) iſt erf 1882—85 dur< Pflügers und G. A. Boulengers Unterſuchungen bekannter geworden. Fiſcher Noa in Köpeni>/ der von Berlin aus ſeit Fahren eine Anzahl von phyſiologiſchen Jnſtituten Deutſhlands mit lebenden Fröſchen verſorgt, hielt ihn ſhon längſt für eine „gute“ Art, da er ihn auf den erſten Blik vom Waſſerfroſche zu unterſcheiden im ſtande war und beobachtet hatte, daß beide Formen zu verſchiedenen FJahreszeiten laihten. Der Seefroſch hat bereits Ende Mai abgelaiht, wenn der Waſſerfroſh ſih erſt zu dieſem Geſchäfte anſchi>t. Boulenger bezweifelt zwar niht, daß Baſtarde von Waſſerfroſh und Seefroſ<h vorkommen „können“/ doh das müſſe dann jedenfalls ganz ausnahmsweiſe geſchehen, da er wenigſtens unter 126 Stücken keine Übergänge habe auffinden können. Da Pflüger inzwiſchen beobachtet hat, daß zwiſchen dem Waſſerſroſhe und dem Seefroſche fruchtbare Kreuzung künſtlih bewirkt werden kann, dürfen wir ihn niht als geſonderte Art auffaſſen, trozdem daß Bau, Färbung und Lebensweiſe ſchon faſt über das Maß hinauszugehen ſeinen, das wir im all: gemeinen Raſſen, Spielarten oder Abarten einzuräumen gewohnt ſind.

Der Seeſroſh lebt nah Noa in fliegendem Waſſer, in den Seen der oberen Spree Und den ſeeartigen Ausbreitungen ihrer Zuflüſſe, nah von Mojſiſovics auch in der Donau bei Orſova an der Südſpize Ungarns, niemals aber in ſtehendem Waſſer, ſelten an einem Orte zuſammen mit dem gewöhnlichen Waſſerfroſche. Er laicht etwa 14 Tage früher als dieſer, alſo Mitte Mai und man<hmal noh früher. Nach G. A. Boulenger erklärt ſi das Vorkommen zweier verwandter und doh ſo ſcharf getrennter Formen an einem Orte daraus, daß dur die Verſchiedenheit der Laichzeit die Möglichkeit einer Vermiſchung ausgeſchloſſen iſt, und i<h möchte no< hinzufügen, daß es mix ſehr wahrſcheinlih dünkt, anzunehmen, daß eine der beiden Formen erſt ſpäter in die Berliner Gegend eingewandert iſt.

Nach F. von Bedriaga iſt ſeine Stimme kräftiger, klangvoller und tiefer, als die der Stammart; man hört ein lautes „Uorr uorr kruu“, das gar niht übel klingt.

Wenige Waſſerfröſche ſterben eines natürlichen Todes; die Mehrzahl verendet unter den Zähnen, im Schnabel oder. in der Klaue eines Raubtieres. Jhre Zählebigkeit iſt außerordentlih. Sie können zwar niht, wie man früher wohl glaubte, in Eisflumpen eingefrieren und mit dem auftauenden Eiſe wieder ins Leben zurü>gerufen werden, aber ſie ſind befähigt, großer Dürre längere Zeit zu troßen — ein Fall, der übrigens nur im Süden ſtattfindet, da ſie im Norden unter ſolhen Umſtänden einem anderen Gewäſſer zuhüpfen. Selbſt ſ{hwere Verwundungen heilen bei ihnen bald wieder; Verſtümmelungen der fürchterlichſten Art bringen ihnen erſt nah Stunden den Tod. Spallanzani ſchnitt einem ſich begattenden Froſche den Kopf ab; demungeachtet zog dieſer ſeine Vorderfüße niht vom Weibchen ab, und erſt 7 Stunden ſpäter, nachdem das Weibchen aufgehört hatte, Eier zu legen, trennte ſi<h von ihm der Rumpf, deſſen Bewegungen no< immer 4 Stunden fortdauerten. Unſere Waſſerfröſche haben an Raubtieren aller Art unabläſſige Feinde. Fuchs, Fiſchotter, Fltis und Waſſerratte bemächtigen ſih ihrer; Schreiadler, S<hlangenadler und Buſſarde, Naben und Verwandte, Störche und Reiher überfallen ſie; Forellen, Hechte und andere Raubfiſche würgen ſie hinab, ſonſtiger Feinde niht zu gedenken. Bei uns zu Lande begnügt ſih der Menſch, ihrer übergroßen Vermehrung dadurch zu ſteuern, daß er die Laichklumpen aus dem Waſſer zieht und auf tro>enem Lande verkümmern läßt; ſhon in Süddeutſchland und im übrigen ſüdlihen Europa ſtellt man ihnen eifrig nach, weil Froſhſchenkel mit Net als wohlſ<hme>endes, nahrhaftes und geſundes Gericht gelten, feine8wegs aber das ſind, was der alte Gesner behauptet: „cin häßlihes, ungeſundcs Eſſen, welches den Leib derer, ſo ſie brauchend, bleifarb macht“. Zwar hegt man auch im Süden, beiſpiel8weiſe in Ligurien, Abſcheu gegen ſolhe Nahrung, verſpeiſt ſie aber in anderen Gegenden, ſo in Nizza und Piemont, um ſo lieber. Wie hoh man ſie in Frankreich