Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

674 Erſte Ordnung: Froſchlurche; zweite Familie: Echte Fröſche.

hervorgebracht wird. Fm Gegenſagze zu den Waſſerfröſchen darf man ſie wohl als ſtumm bezeichnen, namentli<h zur Zeit der Sommermonate, während welcher ſie vollkommen ſtill und geräuſchlos ihren Geſchäften nachgehen. Jn der Gefangenſchaft gebärdet ſi< der Grasfroſh bei weitem niht ſo unbändig wie der Waſſerfroſh, wird auch viel raſcher zahm und bequemt ſi< überhaupt veränderten Verhältniſſen beſſer und ſ{<neller an als dieſer.

Kein. Froſchlur< hat mehr, kein einziger ſo viele Feinde wie der Grasfro\{<. Jhm ſtellt groß und klein, zu Waſſer und auf dem Lande, nah; er wird verfolgt in allen Lebenszuſtänden und iſt erſt dann vor Angriffen geſichert, wenn er ſih gegen Ende Oktober zum Winterſchlafe in den Schlamm zurü>gezogen hat. Der größere Teil der Weibchen ſoll übrigens auf dem Lande in der Erde, unter abgefallenem Laube und in anderen froſtſiheren S<hlupfſwinkeln überwintern. Alle Säugetiere, alle Vögel die Kriechtiere oder Lurche freſſen, finden in ihm eine jederzeit leiht zu erlangende Beute; die Lurche freſſenden Schlangen richten ihr Augenmerk hauptſählih auf ihn und ſcheinen ihn dem Waſſerfroſche entſchieden vorzuziehen; leßterer ſelbſt befehdet ihn, wenigſtens in den erſten Lebensjahren; ſelbſt die Krebſe machen zu ſeinem Nachteile no< einen Unterſchied zwiſhen ihm und dem Verwandten. Und dieſem faſt zahlloſen Heere von Feinden {ließt ſi< außerdem der Menſch an; denn no<h mehr als der Waſſerfroſh wird auch er, der feiſten Schenkel halber, gefangen und geſchlachtet. Außer dieſer bere<htigten Verfolgung trifft ihn ein Teil des Widerwillens, der den mit ihm ſi< herumtreibenden Kröten anhaftet, vergilt man ihm die Wohlthaten, die er im ſtillen und geheimen wirkt auf Feldern und Wieſen, in Wäldern und Gärten, mit ſ{hnödem Undank, ſ{<lägt man ihn tot aus reinem Widerwillen. Aber die Tauſende, die ihr Leben verlieren, mindern glü>liherweiſe die Anzahl der nüglichen Tiere niht oder doh kaum merklih: ein günſtiger Frühling de>t den Verluſt von 10 vorhergegangenen Fahren.

Erſt neuerdings beſſer bekannt wurde uns der Moorfroſch (Rana arvalis und oxyrrhinus), ein dem Grasfroſche ſehr ähnlihes, 5—6,5 cm langes Tier, das ſich von ihm durch die ſpiße Schnauze und den harten, zuſammengedrücten Mittelfußhöder ſcharf unterſcheidet. Der zwiſchen den Augenlidern befindlihe Raum iſ ſ{<hmäler als ein einzelnes Augenlid, die Drüſenfalte der Rüenſeiten iſt ſtark vorragend und faſt immer heller gefärbt als ihre Umgebung. So ähnlih der Moorfroſh auch den übrigen braunen Fröſchen iſt, ſo weicht er doh vom Grasfroſche durch die immer ungefle>te Bauchſeite und durch die Häufigfeit eines breiten, hellen, gelblihen oder rötlichen, ſeitlih ſ<hwarz eingefaßten Rükenſtreifens oft re<t auffallend ab.

„Abgeſehen von den Unterſchieden in äußerer Tracht, Färbung und Zeihnung“, ſchreibt O, Boettger, „haben ſich tiefgreifende anatomiſche Unterſchiede zwiſhen dem Moorfroſche und dem Grasfroſche ergeben, Unterſchiede, deren Kenntnis wix weſentli den Unterſuhungen des unermüdlichen Fr. Leydig verdanken. Einer dieſer Unterſchiede iſt ſo bemerkenswert, daß ih einen Augenbli> bei ihm verweilen muß. Die Samenfäden des Grasfroſches haben einen langen, ſ{<malfadigen, ſpißen, rutenförmigen Kopf, die des Moorfroſches einen viel kürzeren, walzenförmigen, vorn abgeſtumpften, wurſtförmigen Kopf, ſind alſo ſo von Grund aus verſchieden, daß Pflüger einzig und allein auf die Form der Samenfadenköpfe hin die Thatſache mechaniſch zu erklären verſuchte, warum es ihm nicht gelang, Baſtarde von dieſen beiden Froſcharten zu erzielen. Andere wollen zwar in der künſtlihen Vermiſchung beider Arten glü>licher geweſen ſein als Pflüger, aber der Verdacht liegt ſehr nahe, daß dieſe niht mit den zwei e<ten Arten, ſondern mit Abarten des einen oder des anderen Froſches Verſuche angeſtellt haben, wie ſolche wirkli, wenn auh ſelten, vorkommen.“