Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

712 Erſte Ordnung: Froſchlurche; ſiebente Familie: Hylen.

außerordentliche Menge von Laubfröſchen. „Zn Braſilien“, ſagt der Prinz von Wied, „bewohnen ſie in ſehr anſehnlicher Menge die Gebüſche in der Nähe der Wohnungen, der Flußufer und der Seeküſte, in weit bedeutenderer aber die Urwälder. Hier leben ſolche Tiere von mancherlei Größe, Bau, Färbung und Stimme, deren unendlich mannigfache Tóne in der feu<htwarmen Dunkelheit der Nächte, beſonders in der Regenzeit, einen merkwürdigen, höchſt ſonderbaren Chorgeſang bilden. Die meiſten von ihnen wohnen oben in den Kronen der hohen Waldbäume, wo ſie beſonders zwiſchen den ſteifen Blättern der dort wachſenden Bromelien ihren Stand nehmen. Viele der kleinen Arten bringen ſelbſt in dem [<hwarzen, ſtehenden Waſſer, das ſi< in den Winkeln zwiſchen den ſteifen Blättern leßtgenannter Pflanzen anſammelt, ihre Brut aus; andere ſteigen zur Zeit der Paarung von ihren luftigen Wohnungen hinab und begeben ſih in die Sümpfe, Teiche und Pfügen, namentli< in die Brüche, die unter der dichten Verflechtung der Urwälder verborgen liegen. Hier erſchallt dann ihr vereinigter Chor, und hier iſt die günſtigſte Gelegenheit, ſih die verſchiedenèn Arten, die man ſonſt ſ<wer oder nie erhält, zu verſchaffen, da man ſie an ihrer Stimme erkennen kann.“ Nächſt Amerika finden ſi< Laubfröſche in verhältnismäßig ſehr großer Menge in Auſtralien, ſie fehlen jedoh auh Neuguinea und den Molukken, Indochina ſowie dem paläarktiſhen Gebiete niht gänzlih, obwohl ſie hier teineSwegs eine bedeutſame Rolle ſpielen.

Abgeſehen von der Paarungszeit, die auh den größten Teil der Laubfröſche dem Waſſer zuführt, oder dem Winter, der ſie zwingt, im Shlamme, unter Steinen, Baumrinde und anderen der Kälte oder dörrenden Wärme unzugänglichen Orten Zuflucht zu ſuchen, verbringen ſie ihr Leben in der luftigen Höhe der Bäume, hier ſich die geeigneten Blätter zum Standorte erwählend und von dieſen aus ihre Jagd betreibend. Jhre Färbung ähnelt, ſo verſchiedenartig ſie auch iſt, der des Laubes worauf ſie wohnen; ja, ſie ſ{<miegt ſi deſſen Färbung nah Zeit und Umſtänden auf das genaueſte an, da wohl alle Arten die Fähigkeit beſißen, dieſe Färbung in überraſchender Weiſe, weit mehr und viel ſchneller als das berühmte Chamäleon, zu verändern. Ein Laubfroſch, der grün ausſieht wie das Blatt, auf dem er ſißt, kann bald darauf die Färbung der Rinde zeigen: Eins dieſer reizenden Geſchöpfe“, ſagt Sir Emerſon Tennent, „das ſih auf den Fuß meiner Lampe ſeßte, hatte nah wenigen Minuten die Goldfarbe der Verzierungen angenommen, ſo daß man es kaum noh unterſcheiden konnte.“ Wer die prachtvoll rot, gelb und ſilberweiß gefle>ten, gepunkteten und ſonſtwie verzierten, in ebenſo ſhönen wie verſhiedenartigen Farben prangenden Laubfröſche geſehen hat, iſt geneigt, an der Wahrheit des Auftretens ſolchen Farbenweſels zu zweifeln; wer aber die Farbenpracht jener Waldungen zwiſchen den Wendekreiſen aus eigner Anſchauung kennen gelernt hat, begreift, daß auch der bunteſte von ihnen, ebenſogut wie unſer Laubfroſch, Blätter findet, von deren Färbung die ſeinige niht unterſchieden werden kann. Seine eigne Farbenpracht iſt ja immer nur ein matter Widerſchein des Gelaubes ſelbſt, ſeine bunte Färbung, weil ſie ihn nur dem ſchärfſten Auge erkennbar werden läßt, der beſte Schuß gegen die ihm drohenden Gefahren.

Wüäre es möglich, ſhon gegenwärtig eine vollſtändige Naturgeſchichte der Laubfröſche zu ſchreiben, hätte man alle ebenſo genau beobachtet wie den unſrigen: die dann zu entwerfende Schilderung würde im höchſten Grade anziehend ſein. So übereinſtimmend nämlich die Lebensweiſe der einzelnen Arten zu ſein ſcheint oder wirklih iſt, ſo zeigt do faſt jede Art etwas Abſonderliches, die eine hinſihtlih der Stimme, die andere rü>ſi{htli< der Ernährung, die dritte bezüglich der Fortpflanzung. Schon die rein äußerliche Beſchreibung dieſer Tiere, die in Worte gefaßte Wiedergabe ihrer Formen und Farben, feſſelt, weil ſie uns wiederum die unendlihe Mannigfaltigkeit der Natur erkennen und bewundern läßt; Das eigentlih Lebendige einer ſolcher Beſchreibung aber, die Hinzufügung der Sitten und