Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4
Fortpflanzung8werkzeuge. Elektriſhe Organe. Giftſtacheln. 9
Nur in der Klaſſe der Fiſche finden wir elektriſche Organe, gallertartige, in häutkige, gefäßreihe Wände eingeſchloſſene und von einer Menge häutiger Querwände durchſeßte Säulchen, auf deren Zwiſhenwänden äußerſt feine Nerven ſi<h gefle<htartig verbreiten. Der elektriſche Aal des ſüdlichen Amerika, der elektriſhe Wels Afrikas und die elektriſchen Rochen ſind mit den vollkommenſten elektriſchen Organen ausgerüſtet und ſind im ſtande, die geſammelte elektriſche Kraft willkürlih na<h außen wirken zu laſſen, ſo z. B. zu ihrer Verteidigung mächtige S<hläge auszuteilen, wobei dann freilih auh die aufgeſpeicherte Elektrizität mehr oder minder raſh erſchöpft wird.
Andere Fiſcharten ſind durh Stacheln oder dur< Panzer geſhüßt; einige beſißen ſogar giftige Waffen, die au< den Menſchen gefährden können. „Die Giftorgane“, ſagt A. Günther, „ſind in der Klaſſe der Fiſche häufiger, als früher angenommen wurde, doh ſcheinen ſie aus\<ließli<h die Bedeutung von Verteidigungswaffen zu haben und niht Hilfsmittel zur Beſchaffung der Nahrung zu ſein wie bei den giftigen Schlangen. Solche Werkzeuge findet man bei den Stachelrochen, deren Schwanz mit einem oder mehreren mächtigen, mit Widerhaken verſehenen Stacheln bewaffnet iſt. Obgleich ſie keine nachweisbare giſtabſondernde Drüſe und keinen Kanal in oder an dem Stachel beſizen, wodur die giftige Flüſſigkeit geleitet werden könnte, ſind doh die dur< eine Wunde von dem Stachel eines Rochens hervorgerufenen Wirkungen derartig, daß ſie niht durch die bloße mechaniſche Zerreißung des Fleiſches erklärt werden können; der Schmerz iſt ſehr heftig, und die darauf folgende Entzündung und Anſchwellung der verwundeten Teile geht niht ſelten in Brand über. Offenbar beſitzt der von der Oberfläche des Fiſhes abgeſonderte und dur den gezähnelten Stachel eingeimpfte Schleim giftige Eigenſchaften. Dasſelbe iſ bei vielen Scorpaenoiden und bei dem Petermännchen der Fall, bei welchem die Rücen- und Kiemende>elſtacheln dieſelbe Wirkung ausüben wie die Schwanzſtacheln der Stechrochen; doh ſind bei dem Petermännchen die Stacheln tief gefurht und die Furche iſt mit dünnem Schleime gefüllt. Bei Synanceia iſt das Giſtorgan noh mehr entwidelt: jeder Rü>enſtachel iſ in ſeiner Endhälfte an jeder Seite mit einer tiefen Furche verſehen, an deren unterem Ende ein birnförmiger, das milhähnliche Gift enthaltender Sa liegt; dieſer ſet ſi<h in einen häutigen, in der Furche des Stachels liegenden und an deſſen Spitze offenen Gang fort. Die einheimiſchen Fiſcher, mit der gefährlichen Natur dieſer Fiſche wohl bekannt, vermeiden es ſorgfältig, ſie in die Hand zu nehmen; oft jedo<h geſchieht es, daß Perſonen, die barfuß im Meere waten, auf den im Sande verborgenen Fiſh treten. Einer oder mehrere der aufgerichteten Stacheln durchbohren die Haut, und das Gift wird dur<h den Dru des Fußes auf die Giftſä>ke in die Wunde eingeſprißt.
„Die vollkommenſten bisher bei Fiſchen entde>ten Giftorgane ſind jene von Thalassophryne, einer Froſ<hfiſ<gattung von den Küſten Mittelamerikas. Bei dieſen Fiſchen bilden wieder der Kiemende>el und die zwei Nükenſtacheln die Waffen. Der erſtere iſt ſehr ſhmal, ſenkrecht geſtellt, griffelförmig und ſehr beweglich; er iſt rü>wärts mit einem etwa 16 mm langen Stachel bewaffnet von derſelben Geſtalt wie der hohle Gifſtzahn einer Sthlange und an ſeiner Wurzel wie Spitze durchbohrt. Ein die Wurzel des Stachels bede>ender Sa entleert ſeinen Jnhalt durch die Öffnungen und den Kanal in das Fnnere des Stachels. Der Bau der Nükenſtacheln iſt ähnlih. Jn den Häuten des Sa>es finden ſi keine abſondernden Drüſen; die Flüſſigkeit muß deshalb aus ihrer Schleimhaut abgeſchieden werden. Die Säcke beſißen keinen äußeren Muskelbelag und liegen unmittelbar unter der di>en, loſen Haut, welche die Stacheln bis an ihre Spige einhüllt. Die Ausſprizung des Giftes in ein lebendes Tier kann daher nur, wie bei Synanceia, durch den Dru> bewirkt werden, dem der Sa> in dem Augenbli>e unterworfen iſt, wo der Stachel in einen fremden Körper eindringt.