Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4
12 Ein Bli> auf das Leben der Geſamtheit.
wohl annehmen, daß die Fiſche beſtimmte Gerüche noch auf ziemliche Entfernung wahrnehmen. Wie es ſih mit dem Geſhmacke verhält, wiſſen wir niht. An ein Auflöſen oder <hemi[hes Zerſeßen der Nahrungsſtoffe kann bei Tieren, die alle Beute unzerkaut verſchlingen, kaum gedacht werden, und eher no< darf man annehmen, daß der Sinn des Gefühles den eigentlihen Geſhma> erſeße. Jenes ſcheint bei den Fiſchen weit mehr begünſtigt zu ſein als die übrigen Sinne, mit Ausnahme des Geſichtes, und zwar ebenſowohl was Empfindungsvermögen als die Taſtfähigkeit anlangt. Daß den Fiſchen jede äußere Berührung zum Bewußtſein gelangt, läßt ſi< beſtimmt behaupten; die Nerven der Fiſche zeigen ſi jedo< nicht bloß fo groben, ſondern weit feineren Einflüſſen zugänglich. Die allbekannte Fähigkeit der Fiſche, ihre Färbung zu verändern, beweiſt dies zur Genüge. Schollen oder andere Grundfiſche, die eine Zeitlang auf ſandigem Grunde gelegen haben, nehmen eine gewiſſe, der des Sandes täuſchend ähnliche Färbung an, verändern dieſe aber überraſchend ſ{<nell, wenn ſie auf einen andersfarbigen Grund, beiſpielsweiſe auf lihtgrauen Granitkies, gez langen oder gebracht werden. Ebenſo reizbar gegenüber den durc das Auge und die an ſie herantretenden Nerven vermittelten Lichtwirkungen zeigen ſih die Farbſtoffträger anderer Fiſche, namentlih der Forellen, die in diht überſchattetem, alſo ſehr dunklem Gewäſſer oder in mit einem Deel verſchloſſenem Fiſchbehälter dunkeln, und erblaſſen, wenn ſie in ſonnenbeſchienenes Waſſer gelangen oder durh Aufheben des gedachten Dedels in ähnlicher Weiſe dem Lichte ausgeſeßt werden. Au<h mechaniſche Einwirkungen, Drü>en und Reiben der Haut, können beim lebenden Fiſche plößliche Veränderung der Farben hervorrufen, und ebenſo beeinfluſſen innere Erregung, die Begierde ſich fortzupflanzen, den Samen und Laith zu entleeren, Schre>en und Angſt die äußere Haut, indem ſih die Farbſtoffträger zuſammenziehen oder ausdehnen. Zum Taſten benugen unſere Tiere ihre Lippen oder fadenförmige Anhänge, die ſih bei ſehr vielen finden, und die Floſſen.
Auch Verſtand haben die Fiſche, aber freilih ſehr wenig. Sie vermögen ihre Feinde von den ihnen unſchädlichèn Weſen zu unterſcheiden, merken Nachſtellungen und erkennen ebenfo ihnen gewährten Shut, gewöhnen ſih an den Pfleger, an eine gewiſſe Futterzeit, an den Ton einer Glo>e, der ſie zum Füttern herbeiruft, verſtehen geeignete Plätze, die ihnen Nahrung verſprechen, mit Geſchi> auszuwählen, legen ſih hier auf die Lauer, um ihre Beute zu überliſten, lernen es, Hinderniſſe zu überwinden und ſih Gefahren zu entziehen, bilden einen mehr oder weniger innigen Verband mit ihresgleichen, jagen gemeinſhaftlih und unterſtüßen ſich dabei, zeigen endlich, wenigſtens teilweiſe, eine gewiſſe Fürjorge, Anhänglichkeit und Liebe zu ihrer Brut, kurz, bekunden geiſtige Thätigkeit. Dieſe von unſerem Standpunkte aus zu erkennen und demgemäß rihtig zu beurteilen, iſt ſ{hwer, wo niht gänzlih ‘unmöglih, ſhon weil die meiſten Fiſche unſerer Beobachtung entzogen ſind und wir auch die, die wir beobachten können, noh keineswegs ſo auf ihre Fähigskeiten geprüft haben, als dies zu ihrer Beurteilung unbedingt nötig iſt.
Alle Fiſche verbringen ihr Leben nur oder doch faſt aus\chließlih im Waſſer. Die, die befähigt ſind, ihr Element auf kürzere oder längere Zeit zu verlaſſen, ſei es, indem ſie wirkliche Wanderungen über Land antreten, ſei es, indem ſie ſih in den Schlamm einwühlen oder in eine aus Schlamm zuſammengeſeßte Kapſel einhüllen und hier, auh wenn die Trodenheit den Schlamm dörrte und erhärtete, in einem dem Winterſchlafe der höheren Wirbeltiere ähnelnden Zuſtande verharren, können kaum in Betracht kommen; ihre Anzahl iſt auh außerordentlich gering im Vergleiche zu der jener Arten, die beſtändig im Waſſer verweilen müſſen oder es doh nur auf kurze Zeit entbehren können. Die wahre