Charakterologie

96 Medizinifche Typologien

gefühllos gleichgültigen Mörder, den jchweren Gewohnheitsverbrecher, den jfrupellojen Dejpoten, der mit Menjchen wie mit Zahlen rechnet, den Mann, der „über Leichen“ geht.

Nod eine wichtige und charafterlidy oft recht tragijcye Dariante des Schizothymen: Manche Schizothyme haben in ihrem Innern irgendwo einen Bezitf, in dem aud) fie ein urjprüngliches und durch die erfältende Gegen= einanderjtellung nicht berührtes jtarfes Gefühl hegen — eine Art „jeeliihen Rejervates".t) Ihrer ganzen Art entjprechend behüten jie dies als das Beiligite und Intimjte, zeigen es niemandem, wenn nicht gelegentlich ein Menjd, zu dem fie in ehr naher Beziehung jtehen, als einziger eingeweiht wird, und dieje „innerlichjte” Seite an ihnen Tennenlernen darf. Werden Scizothyme in diefem Punfte verwundet, jo fann es zum Ausbrud) einer ihweren Piychoje fommen.?)

Aus diejer Neigung, ein jolhes Rejervat in jid) abzujpalten und es mit allen Mitten zu jhüßen, erklären jidd mandye der plößlihen und für Menjhen anderen Typs jchlechthin unbegreiflihen Abwendungen zu tiefiter innerer Derjchlofjenheit. Man Tann jahrzehntelang mit Schizoiden leben, ohne in ihr Geheimnis zu dringen.

Es gibt aud) die Dariante — wir erwähnten jie jhon —, dah die „Tiefe“ unter der „Oberflähe” nur jcheinbar vorhanden, in Wirklichkeit aber gänzlich „leer“ ijt. Dann entitehen die rein fafjadenhaften Charaktere. Sie zeigen ausgeprägte Sorm, die aber gänzlid; leer und hohl it, jind entweder langweilig oder theatralijch, Teidenjchaftslos und falt. Zuweilen haben jie

1) Rad} der guten Sormulierung von H.Rohrader, Kleine Einführung in die Charakterfunde. 2. Aufl. Leipzig 1956. S. 31.

2) Mir jcheinen die typijchiten Beijpiele diejes Charakters die Srauengeftalten des ausgejprohen jhizothymen Dramatifers Sr. Kebbel zu jein. Die meijten von ihnen (Rbodope, Judith, Mariamne) find in ihrem „Innerjten” verraten von dem einzigen Menjchen, zu dem hin jie diejes Innerfte öffneten. Sie reagierten darauf jo, daß diefer „ungeheuerlichite Srevel” nur mit dern Tode — oft beider Teile — gefühnt werden fann. Es ijt überhaupt jehr interejjant, wie die Dramatit diefes ganz auf unverföhnliche Gegenjäge aufbauenden Dichters jtets jo geführt ilt, dak die Heldin fich mit förmliher Wolluft immer nod} tiefer in den Gegenjas hineinwühlt. Eine echte Liebe, die das eigene I hinüberjtrömen läßt in das Ich des geliebten Mannes, wird man bei hebbels — im Grunde eistalter Stauen nicht finden. — Sonderbarerweije ijt auch bei Kleijt die jhizoidejte Gejtalt feiner Dramen eine Stau: Penthejilea, riefenhaft und grofartig im Sormat ihrer Liebe, aber unfähig, aud) nur ein Mindejtmah von der Sorm nadyaugeben, die fie fich vorgeftellt hat. Ihre glüdlichere Schweiter im Typ ijt das Kätdhen von heilbronn — auch wieder eine weibliche Geitalt.