Charakterologie

Die Therapie 219

überhaupt niemals zur Entwertung des Höheren ausgenußt werden. Dazu muß Binzufommen, daß das Niedere nod) in jeiner Qualität (als eben das Niedere) im Höheren jtedt, und zwar jo hocyprozentig, dab ihm durch) das Höhere nur eine Scheinfajjade gegeben wird. Das aber geht aus feinem der wirklichen pjychoanalytiichen Befunde hervor, wie gleidy näher gezeigt werden joll. Dorher nod} ein furzer Blid auf die pjychoanalytijche Therapie, um aud} hier den wertvollen Kern von weltanjhaulicher Aus= wertung zu jcheiden.

b) Die Therapie.

Der feelijch erfrantte Menjc) ilt firiert an Bahnungen feines Wollens, die meilt in frühejte Kindheit zurüdweijen (entipredhend der Lehre von der Wichtigkeit der eriten Derfeftigungen der Impulfe). Seine Triebe jind firiert an Objette, die ihm in der gegenwärtigen Realität verjagt find. An ihre Stelle jind Erjaßbefriedigungen getreten, die ihm aber nicht als jolhe bewußt werden. Oder es bilden fich in Abwehr gegen verdrängte, aber noch mächtige Tendenzen Gegen- und Überfompenjationen aus, wodurch wieder eine Täufchung über fid) jelbjt entjteht, indem der Patient oft nur dieje Abwehrtendenzen bewußt erlebt, während doc) tieferliegende aber unbewußte Strebungen die „eigentlichen“ und die wirfjamen jind. Er liebt, wo er im Grunde haft, er haft, wo er liebt — oder genauer und richtiger: feine Neigungen und Abneigungen haben dadurdh etwas Swanghaftes und oft ihm jelbjt Unbegreifliches, daß fie mit dem Unbewußten in ihm nicht mehr in der gleichen Richtung laufen, und nun, da fi das Unbewußte diefe Abtrennung vom Naturgrunde in uns nicht ge fallen läßt, von ihm abhängig werden, nicht mehr aus freiem Willen fommen, nicht mehr find, als was wir fie meinen.

Steud nimmt nun an, daß es ein Mittel gibt, in die dem Bewußtjein unzugänglich gewordenen Gebiete der Seele hineinzufinden. Dazu muß der aftive Widerjtand des Bewußtjeins und feiner zenjurierenden Sunftion aufgehoben werden. Im Zujtand gedanfenlojen Hinttäumens wie aud) im echten Traum drängen die unbewußten Tendenzen, nicht mehr zurüdgehalten, an die Oberfläche. Sie fönnen zwar nod; nicht in ihrer urjprüng= lihen Tendenz fihtbar werden, weil damit jofort die ganze Wachheit mobilgemadht würde, die fie wieder abörängen würde. Sie erfahren aljo eine beitimmte Umdeutung, erjheinen in Symbolen. Die Aufgabe des Arztes it nun, dem Patienten die Sprache feines Unbewußten deutlich zu maden, ihn zu fich felbjt zu führen. Das Grunöbejtreben ijt, ihn damit wieder auf fi} felbit, auf feine Einheit zu jtellen, die nur dann Einheit