Der Künstler zwischen Westen und Osten

94 Schillers Europäertum

in einem Ich-Schicksal, das von den Gestirnen bestimmt wird. Im Selbste Wallensteins, das sich verliert, bekommen die Sterne die Gewalt. Der gestirnte Himmel und das moralische Gesetz werden eins im Schicksal. Eine höhere Ordnung schwebt über dem Feldherrn. Er gehört den Planeten an. In ihre Sphäre hat er sich in richtiger Art hineinzuleben, wenn er nicht zerschellen will. Er tut es nicht und geht zugrunde. Wir haben hier die Tragödie des sich selbst überfliegenden und niederstürzenden Ich: Deutschlands Tragödie.

Das nächste Drama, das Schiller schreibt, ist Maria Stuart. Es stellt den Kampf zweier Weiber um die Regentschaft dar und spielt sich eigentlich jenseits des Gewissens ab, das im Ich verankert ist. Man kann diese Tragödie ein Macht- oder Maja-Drama nennen. Denn beide Worte haben, wie schon Schelling bemerkt, die gleiche Wurzel. Es ist der Sieg der Bewußiseinsseele, die losgelöst ist vom höheren Selbst. Äußerlich siegt die Königin von England. Innerlich unterliegt sie, denn sie verarmt an Seele.

Hierauf wählt Schiller einen französischen Stoff. Die Jungfrau von Orleans wird von Maria, der Gottesmutter, aufgefordert, den Feind zu vertreiben und dem König zu seinem Rechte zu verhelfen. Gottgewollte Gerechtigkeit ıst das Motiv. Religiosität, die noch nicht Jurisprudenz geworden. Wir haben ein Gloria-Drama vor uns, das aber keineswegs verwechselt werden darf mit einem Gloire-Drama.