Der Künstler zwischen Westen und Osten

SCHILLERS STAATSFORMEN UND DIE INDIVIDUELLE ENTWICKLUNG

Ein Geist, der, wie Schiller, die Harmonie zwischen Vernunft und Sinnlichkeit in seiner „Ichheit“ zu finden vermag und, derart frei geworden, Europa überschaut, kann erkennen, daß sich die westlichen Völker in ihrer Denkart verstandesbegabter erweisen, in ihrer Körperlichkeit festere Konturen besitzen, in ihren Werken formgeschlossener sind, während im Osten Lebensfülle hemmungslos überquillt.

Schon die Sprache sagt es, die im Westen kristallisiert und im Osten zerfließt. Im Westen ist die Wortwurzel, die dem Lateinischen entstammt, nicht mehr lebendig, so daß derjenige, der sich dem Sprachgenius hingibt, in die Vergangenheit, aber nicht in die Zukunft geführt wird. Im Osten fühlt sich der Mensch im Innersten an das Wort gebunden. Er ist, wie dieses, noch im Werden begriffen und mehr als der westliche Mensch vom Wesenskern aus wandelbar.

Im Deutschen lebt zwar die Wurzel des Wortes. Aber der Deutsche erfaßt dieses Leben nur, wenn er eine Willensentwicklung durchmacht. Er muß, um die Wachstumskräfte des Sprachgeistes zu erfahren, die Liebe zum Wortursprunge immer wieder aus eigenstem