Der Künstler zwischen Westen und Osten

Deutsches und schweizerisches Geistesleben 125

schränkten Freiheit des Geisteslebens — und jedem Schweizer: Sei wie Pestalozzi, der einem heiligen Naturtrieb folgte, gemäß seiner Überzeugung, daß der Mensch gut sei, und deshalb nicht zu untersuchen brauchte, ob diejenigen, denen er beistand, es verdienten; er half, wo er nur konnte — folgt diesen beiden Vorbildern, dann ergänzt ihr euch.

Wie der deutsche Denker in der Schweiz die Urkraft des Herzens sucht, so der Schweizer, der in die deutsche Ebene hinuntersteigt, ein Ziel, das vom Geist aus verwirklicht werden soll. Er will die Größe seiner heimatlichen Natur, den Weitblick vom Gebirge, die reine Luft ın ein freiheitliches Gedankenleben verwandelt wiederfinden.

Seine Brust wıll sich dehnen hier wie dort. Dieses geistige Aufatmen verspürte C. F. Meyer, als sich Deutschland im Jahre 1871 zu einem großen Reiche einigte. Er hoffte, daß es seine durch den Krieg errungene Macht dazu benützen würde, dem einzelnen die Gewähr einer freien Entwicklung zu verschaffen.

In der romanischen Kultur engten ihn die Schranken der Form als hohe, aber traditionelle Bildung ein.

In der slawischen stieß ihn die pathologische Zersetzung der Seele zurück.

Er konnte weder die französischen Philosophen noch die russischen Psychologen zu seinen Lehrmeistern brauchen.

„1871 war für mich das kritische Jahr. Der große Krieg, der bei uns in der Schweiz die Gemüter zwiespältig aufgeregt, entschied auch einen Krieg in meiner