Der Künstler zwischen Westen und Osten

126 Dieeutsches und schweizerisches Geistesleben

Seele. Von einem unmerklich gereiften Stammesgefühl jetzt mächtig ergriffen, tat ich bei diesem weltgeschichtlichen Anlasse das französische Wesen ab, und innerlich genötigt, dieser Veränderung Ausdruck zu geben, dichtete ich Huttens letzte Tage.“

Warum flüchtete C. FE. Meyer, nachdem er Huttens letzte Tage geschrieben, wiederum in die Reformation und Renaissance zurück? — Weil das Geistesleben im geeinigten Deutschland durch den Staat entpersönlicht und durch die Wirtschaft mechanisiert wurde. Die Individualität als solche vermochte sich nicht mehr zu entwickeln. C. F. Meyers Genius jedoch war angelegt, große Persönlichkeiten zu verherrlichen.

Der Künstler vom Ausgang des neunzehnten Jahrhunderts bis zum Weltkriege konnte, wenn er das geistige Leben als Selbstzweck betrachtete, es nicht über sich bringen, sich mit einer derartigen Politik und Wiırtschaft zu beschäftigen. Er floh die Wirklichkeit, weil sie geistlos schien. Er wurde lebensfremd. Er verfiel dem Historismus. Er begeisterte sich an Ruinen. Wenn er sich nicht als Ästhet verhärtete, schloß er sich religiösen oder wissenschaftlichen Sekten an, jenes im Osten, dieses im Westen, man denke an Tolstoi und Zola. In Mitteleuropa hatte im Gebiete des Geistes ein in sich verkapseltes Professorentum die Scheinherrschaft. Von alledem konnte der Schweizer, der noch inniger als andere Europäer mit der Natur verbunden war, nichts lernen.

Keller, der in seiner Jugend alles vom deutschen