Der Künstler zwischen Westen und Osten

Hamlet 139

hat, so bedeutet das nicht eine literarische Lizenz. Eine Anspielung auf Luthers Tätigkeit daselbst ist nebensächlich, obschon ein solcher Anachronismus bei Shakespeare ebensowenig verwundern dürfte wie bei Goethe. Luther lebte nach Faust und auch nach Hamlet. Trotz der „Ratt’ ım Kellerloch“:

Hatte sich ein Ränzlein angemäst

als wie der Doktor Luther.

Aber Faust und Hamlet waren Zeitgenossen, und zwar ist Hamlet der Schüler von Faust gewesen. Diese Schülerschaft in der hohen Magie, auf die Rudolf Steiner hingewiesen hat, erklärt manches in Hamlets Charakter.

Man hat es seltsam gefunden, daß Hamlet nach der Erscheinung des Geistes, der ihm das fürchterliche Verbrechen offenbart, sein Taschenbuch hervorzieht, um eine Maxime einzutragen. („Daß einer lächeln kann und immer lächeln und doch ein Schurke sein.) Es liegt jedoch ein solches Verhalten, das auf die inneren Erlebnisse achtet, ganz im Wesen jener Schulung. Hier ist aber sogleich zu sagen, daß Hamlet auf halbem Wege stehenblieb, trotzdem er sich „Notizen, Bilder des Vergangenen, Stellen aus Büchern‘ usw. eintrug, um seine geistige Wachsamkeit zu fördern. Er kommt nicht über seine leibliche Abhängigkeit hinaus. Seine Seele ist an das Physiologische gebunden. Vielleicht infolge seiner Fettheit und seines kurzen Atems. Gerade durch den Widerspruch in seiner Natur, jenem Riß zwischen Kopfsystem und Stoffwechsel, den kein gesunder Puls- und Atemrhythmus überbrückt, ist er