Der Künstler zwischen Westen und Osten
2.36 Über die Jugendbewegung
wissen einschlägt. Dieses Gebot aber macht ihn nicht zu einem Menschen, der für das Gute kämpft, sondern zu einem, der darauf verzichtet, dem Bösen zu widerstreben. Er will die „Sünde der Welt‘ nicht mitmachen. Er predigt den passiven Widerstand gegen die Kirche, welche für den Sieg der Waffen betet, gegen den Staat, welcher den Eid fordert, gegen die Kunst, welche den Menschen das Geistige genießen lehrt. Er kehrt zum kindlichen Volk zurück und will in Armut leben. Er gelangt zuletzt zur Steuerverweigerung und zum Antimilitarismus, ja zum Plane einer internationalen Organisierung des Streikes. Aber mit Recht wurde ihm entgegengehalten, besonders von Solowjew, daß dadurch die Seele nicht geändert wird. Der Arbeiter, der nicht streikt, pflegt seelisch wertvoller zu sein. Der Soldat, der sich ausheben läßt, ist immer tüchtiger als jener, der sich hinter dem Ofen verkriecht. Höchst zweitelhafte Jünger, Sektierer, Querulanten, Mucker und sonstwie minderwertige Geister sammeln sich um Tolstoi. Er selbst kommt in immer peinlichere Seelenangst und Selbstquälerei hinein. Er vermag seine Umgebung immer weniger zu ertragen und unternimmt zuletzt seine Flucht aus der Familie heraus in das Kloster, woselbst er stirbt. Er glaubt die Bergpredigt mit ihren Seligpreisungen nur dann zu erfüllen, wenn er die Welt flieht.
Die drei Menschheitsbilder, die ich der Wirklichkeit entnommen habe, wirken mächtig auf die Seelen der jungen Menschen, ohne daß sich diese Rechenschaft darüber ablegen, ob sie dadurch nicht ihre hei-