Der Künstler zwischen Westen und Osten

Über die Jugendbewegung 2h3

wenig, wie es ein Verdienst ist, daß ihr anders geartet seid, sollt ihr eine Schuld darım sehen, daß jene euch so schwer begreifen. In dieser Weise von Schuld zu sprechen, sagte er, würde selbst zu den Begriffsgestalten der älteren Generation, zu deren philiströsen Begriffsgestalten gehören.

Rudolf Steiner stellte dann seinen begeisterten Zuhörern dar, wie sich aus den feinziselierten geist- und lebensvoll gestalteten Gedankengängen, die den Stil des Anfanges des neunzehnten Jahrhunderts charakterisiert hatten, nach und nach das Phrasenwesen herausbildete, wie sich Gedankenlosigkeit und Willenlosigkeit hinter das Schlagwort verschanzten, wie dadurch die innerlich erlebte Wahrheit erstarb und — in immer seelenloserem Gespräch — kein Mensch mehr den andern finden konnte, wie Konvention und Routine den Verkehr zu beherrschen begannen und jedes Zusammenleben öde und assozial machten. Ja, diese drei schattenhaften Verführer, Phrase, Konvention und Routine, entfernten uns immer mehr von einer wahren Herzensgemeinschaft. Sie sind es, die letzten Endes die Katastrophe heraufgeführt haben. Wahrhaftig, auch ein Kapitel zum gesellschaftlichen, diplomatischen und parlamentarischen Verkehr.

Die Jugend, sagte Dr. Steiner, suchte führende Lehrer und lehrende Führer, aber sie fand keine. (Denn sie erfüllten jene beiden Bedingungen, Philosophen der Freiheit und Erkenner der höheren Welten zu sein, in keiner Weise.) Wenn der junge Mensch auf die Uni-

* Siehe Rudolf Steiner: „Pädagogischer Jugendkurs“.

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