Der Künstler zwischen Westen und Osten

Brief eines jungen Menschen 249

sten urständende Geistgefühl (seid umschlungen Millionen, diesen Kuß der ganzen Welt) empfunden werden, so wäre der Mensch unweigerlich verloren. Aber der Jüngling vermag nicht zu klären noch zu erklären, was in ihm waltet. Er weiß nur, es ist gut, und er muß hassen, was ihn einengt. i

Dieser Menschheitssinn kann sich in der Sehnsucht nach weiten Ausblicken von Schneebergen oder im Begehren, immer breitere Flüsse schwimmend zu durchqueren, äußern; im Trieb, die Straßen der Großstadt zu durchstreifen und das Gewoge zu erfühlen, in allgemeinen Mitfreude- und Mitleidsgefühlen.

Ich begann in dieser Periode mein erstes Tagebuch und schrieb hinein: „Es gibt im All einen See, in den die Seelen nach dem Tode steigen und von dem sie wiederkehren“, erläuterte dies sehr naiv an dem Gleichnis vom Wasser, das als Regen niederfällt, im Boden versickert, als Quelle hervorsprudelt, zum Bach, zum Strome, zum Meere wird und, von der Sonne angesogen, wiederum emporschwebt... Dies Bild begleitete mich jahrelang, bald von Nebeln umwogt, bald von Farben umsäumt, ohne daß ich etwas von der Wiederverkörperung geahnt hätte; ich wußte gar nicht, daß man diese gedanklich begründen kann. Der junge Mensch hat intellektuelle Beweise nicht nötig. Er erlebt die Wahrheit ganz anders als der Erwachsene, nämlich in der Empfindung gegenwärtig. Ein Achtzehn- und ein Achtundzwanzigjähriger, die nach Genf kommen, werden z. B. J. J. Rousseau auf verschiedene Art in sich aufnehmen. Der Ältere wird sich die Meinung von der Schädlichkeit