Der Künstler zwischen Westen und Osten
18 Auf der Suche nach der
neue Wege zu weisen, muß sich als Freiheitsbringer legitimieren.
Daß der einzelne unangetastet auf sich selbst beruhe, empfindet ein moderner Mensch als Recht und Pflicht. Diese Stimmung des Ich-Bewußtseins hat sich durch unendliche Nöte der Neuzeit entwickelt. Fichte zum Beispiel sagt: „Alle Kultur soll sein Übung aller Kräfte auf den emen Zweck der völligen Freiheit, das heißt der völligen Unabhängigkeit von allem, was nicht wir selbst, unser reines Selbst (Vernunft, Sittengesetz) ist, denn nur dies ist unser...“ *
Parallel jedoch mit der Entwicklung des uneingeschränkten Selbstbestiimmungsrechtes ging diejenige des Verantwortlichkeitsgefühles für alle. Und gerade bei Menschen, die das erste am heftigsten fordern, ist das zweite am dringlichsten vorhanden. Kein einziger wahrhaft Großer, der dies Doppel-Wollen nieht besitzt. Man denke an Kierkegaard, Ibsen, Dostojewski. Niemand kann uns packen, dessen Schicksal nicht von diesem Zwillingsdrang beeinflußt ist. Man braucht von diesem Standpunkt aus nur einen Blick auf die heutige Literatur zu werfen und man weiß sogleich, was bleibt und was verschwinden wird. Das Selbstbewußtsein muß Gefäß für das Menschheitsich werden, sonst ist es nicht wert, ewig zu sein.
Erschütternd ist dies in der Novelle Dostojewskis „Der Traum eines lächerlichen Menschen” ausgesprochen. Ungern ziehe ich diese tiefste aller Ich-Erzählungen
* Siehe Steiners „Rätsel der Philosophie“.