Der Künstler zwischen Westen und Osten
Der Künstler zwischen Wesien und Osten 25
nomischen und sozialen Verhältnisse erblickte er durch sie verwandelt. Es sei hier an das „Tagebuch des Leonardo“ in.den Wanderjahren erinnert, worin die Arbeit der Heimarbeiterinnen in einer Gebirgsgegend beschrieben wird. Leonardo, der eine Schuld auf seiner Seele lasten fühlt, weil er nicht verhüten konnte, daß eine Pächtersfamilie, darunter die Tochter, die er im Sinne trägt, von Haus und Hof gehen mußte, wird vom Gewissen in dieses hohe Tal hinaufgetrieben, tritt in die Stube der Weberinnen und findet ein gar glückliches Völklein beisammen. In den Fensterrahmen über Geranien und Kapuzinerchen hängen Käfige mit Zeisigen und Stieglitzen; die zwitschern in das Gesurre der Räder hinein. Die Mädchen schauen zum Fenster in die freie Landschaft hinaus, und was sie vorüberflattern sehen, einen Vogel oder Schmetterling, weben sie in das Gewebe als Ornament, und was sie in sich selber als Rhythmus des Atems oder Blutes empfinden, gibt die Linie dazu. Diese Kinder schaffen mit Glücksgefühlen, denn der ganze Organismus wird noch beschäftigt, Auge, Hände, Füße, auch der rhythmische Mensch, beim Strecken und Beugen, beim Einfädeln, beim Abspulen, beim Drehen des Schiffchens und so fort. Deshalb singen die Mädchen, und zwar geistliche Lieder, wie Goethe ausdrücklich bemerkt, nicht weltliche. Denn in ihrer Wohligkeit ist Andacht. Sie sind jedoch keineswegs Muckerinnen, sondern freundlichgefällige Wesen, die dem Geiste dienen dürfen und dafür dankbar sind.
Diese Heimarbeiterinnen haben eine Aufseherin, man