Der Künstler zwischen Westen und Osten
32 Der Künstler zwischen Westen und Osien
konnte sich jeder, auch der geringste, täglich vergegenwärtigen. Aus der Hütte trat der Arme, der Krieger aus dem Zelte hervor, und die religiöseste aller Funktionen war vollbracht; dem neugeborenen Kinde erteilte man die Feuertaufe in solchen Strahlen, und den ganzen Tag über, das ganze Leben hindurch sah der Parse sich von dem Urgestirn bei allen seinen Handlungen begleitet.“ „Die alten Parsen verehrten aber nicht nur das Feuer, ihre Religion ist durchaus auf die Würde der sämtlichen Elemente gegründet, insofern sie das Dasein und die Macht Gottes verkündigen. Daher die heilige Scheu, das Wasser, die Luft, die Erde zu besudeln. Eine solche Ehrfurcht vor allem, was den Menschen Natürliches umgibt, leitet auf alle bürgerlichen Tugenden. Aufmerksamkeit, Reinlichkeit, Fleiß wird angeregt und genährt.““
So Goethe, der sich selbst ein „Kind des Lichtes“ nennt *.
Dem Osten droht nicht die gleiche Gefahr wie dem Westen, jene Entgöttlichung, Entseelung, Mechanisierung der Elemente, vor allem die des Lichtes (dort kann keine Dunkelkammer erfunden werden, worin man die Welt einfängt), wohl aber die Gefahr des Versinkens der Ichheit in dem göttlichen Strahlenmeere. Eine Gottesergebenheit, die in schwüle Mystik verfällt. Und diese-Entwicklung hat ja das Parsentum genommen, als es vom Islam durchdrungen wurde. Da
* Siehe Karl Justus Obenauers bedeutendes Buch „Goethe
in seinem Verhältnis zur Religion‘.