Der Künstler zwischen Westen und Osten

36, Der Künstler zwischen Westen und Osten

brauchen. Einem solchen "Menschen an die Politik zum Schicksal werden.

Hier wird man an das berühmte Wort Napoleons erinnert, das dieser im Jahre 1808 bei der Erfurter Begegnung zu Goethe äußerte: „Die Politik ist das Schicksal.“ Ein anderes Schicksal mochte der Kaiser der Franzosen nicht anerkennen. Er lehnte aus diesem Grunde die antike Schicksalstragödie ab. Auch er wollte einen europäischen Menschen verwirklichen. Er strebte zwar nach einer Einheit. Aber er war nicht imstande, sie zusammenzuhalten, weil sie nicht tief genug gegründet war. Sie war überpersönlicher und .übernationalistischer, jedoch nicht menschheitlicher Art. Es lebte in ihr nicht wie bei derjenigen Goethes der Archetypus der Menschheit. „Ein Mann wie ich,“ so sagt Napoleon von sich, ‚ist stets entweder ein Dio oder ein Diavolo.“

Er war dämonischer Art, ein Fatalıst der Tat, von einem Stern geführt und von ihm wiederum, als seine Zeit abgelaufen, aus der Bahn geschleudert. Eine Natur, wie Goethe 1807 zu Riemer sagte, die aus der Moralität herausgeireten war und wie „physische Elementarursachen, wie Feuer und Wasser“ wirkte...

Bei dieser Erfurter Begegnung lebte in Goethe, der vor Napoleon stand, bereits der europäische Mensch, der seine Geistesart von innen heraus, durch Hingebung an die Erde (die Ehrfurcht vor dem, was unter uns ist) gesichert hatte. Goethe verhielt sich schweigend und abwartend. Napoleon fragte ihn dieses und jenes, aber nichts, was für die Geistesgeschichte Europas