Der Künstler zwischen Westen und Osten

ho Der Künstler zwischen Westen und Osten

‘orientalischen Künstler ist die Innenwelt wirklicher und wichtiger als die Außenwelt. Wünsche und Gedanken stuft er ebenso sicher ab wie der Westmensch Pflanzen und Tiere. Erlebnisse, die er hat, indem er ihren Wert oder Unwert an der Gottheit mißt, sind sein eigentlicher Stoff. Die Sinnenwelt wird für ihn Gleichnis, nicht Selbstzweck. Die Malerei ist, wo sie ihre Höhe bewahrt hat, Kultusbildnerei geblieben, die Dichtung Anruf der Götter und Geister. Porträte gibt es eigentlich nur von Toten, die vergottet sind, nicht aber von Menschen des Alltags, geschweige Aktstudien und dergleichen. Die Forderung äußerer Wahrheit existiert nicht. Perspektive, Schatten, Kopien dessen, was die Sinne zeigen, deuten, wenn sie auftreten, schon auf Dekadenz. (Europäischer Einfluß, von Holland her, zeigt sich z. B. in Japan schon im 17. Jahrhundert, in der Mingperiode.) Wir finden gewiß naturgetreue Schilderungen, aber immer nur, insofern sie geistige Kräfte spiegeln, niemals als photographisch genaue Wiedergabe.

Man stelle sich eine japanische Maske vor. Eine übermenschliche Eigenschaft, die nach dem Tode ins Übergute oder Überböse gesteigert wird, lauscht oder lauert hinter den Zügen, etwas, das von den alten Göttern abstammt, eine himmlische oder höllische Naturmacht, ein Dämon...

Dämonisch ist diese Kunst, mehr oder weniger besänftigt durch Buddhismus, durch Taoismus, durch Kaiser- und Ahnenverehrung *.

* Siehe Ernst Grosse: „Ostasiatische Tuschmalerei“.