Der Künstler zwischen Westen und Osten

50 Der Künstler zwischen Westen und Osten

Aber dieser göttliche Odem lebt doch in der Sprache. In den Vokalen und Konsonanten atmet ihn der Mensch ein und aus. Wenn er die Bewegungstendenzen seines Sprechens auf den ganzen Körper überträgt, enisieht eine sichtbare Sprache, die Eurhythmie. Übt sich die neue Generation in ihr, dann läuft sie, herangewachsen zu Werken, nicht Gefahr, mit den Füßen an die Erde gefesselt zu werden oder mit den Gedanken in das Nirwana zu entschweben. Dann vermag sie, sogar im Spiele, ein Vermittler des Geistes zu sein. Sie bleibt schön auch als Natur.

Der Mitteleuropäer ist immer ein Reisemensch gewesen. Er pflegte nach Italien, nach Griechenland, nach dem Orient zu pilgern. Er machte Ausgrabungen und gab Texte heraus. Er wollte sich dabei immer etwas holen. Heute ist ihm dies versagt; ökonomische Hemmnisse bannen ihn innerhalb seiner Grenzen. Er kann nur noch im Geist in andere Länder wandern. Wenn er aber die Einstellung des künstlerischen Menschen hat, die ich schildern durfte, dann vermag er auf diese innere Wanderung ein Gut mitzunehmen, das man im Osten und Westen nicht besitzt, das er dort verschenken darf. Der Geistesforschung Rudolf Steiners dankt er es vor allem anderen, daß er nicht mit leeren Händen kommt. Er bringt dem Osten die denkerische Begründung uralter Weisheitslehren, vor allem die erkenntnis-theoretisch gesicherte Einsicht in die Gesetzmäßigkeit der wiederholten Erdenleben. Er vermag sie dem Traume, der Phantasie, der dekadenten Mystik zu entreißen. Nach Westen aber bringt er eine im Urgrund der göttlich-