Der Künstler zwischen Westen und Osten

dionysische Weltanschauung 57

Bachofen weist nach, daß alle geschichtlichen Zustände frühere Stufen voraussetzen, ohne deren Erforschung sie nicht begreiflich und infolgedessen auch nicht darstellbar sind. Er prägt den bedeutsamen Satz: „Das wahrhaft wissenschaftliche Erkennen besteht nun nicht nur in der Beantwortung der Frage nach dem Was? Seine Vollendung erhält es erst dann, wenn es das Woher? zu entdecken vermag und damit das Wohin? zu verbinden weiß. Zum Verstehen wird das Wissen nur dann erhoben, wenn es Ursprung, Fortgang und Ende zu umfassen vermag. Der Anfang aller Entwicklung aber liegt in dem Mythos.“

Wer kein Organ für den Mythos hat, vermag kein wahrer Historiker zu werden. Derart lehnt Bachofen die Geschichtsforschung seiner Zeitgenossen ab.

Hier ist aber sogleich zu bemerken, daß sich der Mythos nur einem höheren Bewußtseinszustand, als wir ihn heute haben, aufschließt. Auch Bachofen besitzt die von ihm geforderte Fähigkeit nicht. Er nimmt sie auch gar nicht für sich in Anspruch. Aber er hat etwas, was sie bis zu einem hohen Grade ersetzt: die Liebe zum griechischen Altertum; weil diese Liebe treu ist und nicht rastet, täuscht er sich in seiner Einsicht nie, solange er den Gegenstand seiner Liebe, sagen wir den Ritus und das Gerät der dionysischen Mysterien, vor sich hat. Da lebt er sich an Laut und Bild in das Vergangene hinein. Dort aber, wo er keine Dokumente mehr findet, bricht seine Forschung ab oder — greift ins Leere.

Es sei versucht, den bereits angedeuteten Wesens-