Der Künstler zwischen Westen und Osten

79 Über apollinische und

der des Dionysos, besteht: beide so verschiedene Triebe gehen nebeneinander her, zumeist in offenem Zwiespalt miteinander und sich gegenseitig zu immer neuen kräftigeren Geburten reizend, um in ihnen den Kampf jenes Gegensatzes zu perpetuieren, den das gemeinsame Wort ‚Kunst‘ nur scheinbar überbrückt, bis sie endlich, durch einen metaphysischen Wunderakt des hellenischen ‚Willens‘ miteinander erscheinen und in dieser Paarung zuletzt das ebenso dionysische als apollinische Kunstwerk der attischen Tragödie erzeugen.“

Nietzsche sah, daß mit Sokrates eine Dekadenz des Apollinischen, „der logische Schematismus”, und mit Euripides eine Dekadenz des Dionysischen, „der naturalistische Affekt‘, herrschend wurden.

Sokrates als Kopfmensch ist ihm der Ahnherr der heutigen Wissenschaft, der an und für sich unmusische Mensch, der mißtrauisch ist gegen die Werdekräfte der Erde. Öfters kam ihm, wie er im Gefängnis seinen: Freunden erzählte, ein und dieselbe Traumerscheinung, die immer dasselbe sagte: „Sokrates, treibe Musik.“ Er hörte nicht darauf, und das war sein Vergehen.

Sokrates verleugnete Dionysos in sich. Er rettete sich vor der Zerstückelung durch ein intellektuelles Weltbild. Er wurde dadurch ein oberflächlicher Verächter des Lebens, ein Flüchtiger vor ihren untergründigen Leiden.

Diese Tendenz sieht Nietzsche im Christentum seiner Epoche. „Der Haß auf die ‚Welt‘, der Fluch auf die Affekte, die Furcht vor der Schönheit und Sinnlichkeit, ein Jenseits, erfunden, um das Diesseits besser zu