Der Künstler zwischen Westen und Osten

72 Über apollinische und

Lichtreiches wie Apollo und des Stoffes der Erde, leidend, weil er zerstückt ist. Für ıhn jedoch wird Dionysos der Bringer der Freiheit, der zwar als solcher nicht himauszuführen vermag aus der Herrschaft des Stofflichen, wohl aber vorbereiten kann auf einen höheren Gott, der, wie sich Bachofen ausdrückt, berufen war, „durch des Geistes Wort die Herrschaft des Stoffes zu brechen und die Freiheit des stofflichen Lebens zu einer höheren göttlichen zu verklären“. Bachofen verneint das Dionysische nicht, um das Christliche zu retten. Wohl aber verneint Nietzsche das Christentum seiner Epoche, um das Dionysische vor dem Untergange zu bewahren.

Hier sind wir an einem Wendepunkt angelangt. Hier handelt es sich um ein Entweder-Oder. Hier gewinnt das Schicksal Nietzsches allgemeine Bedeutung. Die zentrale Stelle der Geburt der Tragödie, die hier wiedergegeben sei, müßte sich jeder im Geisteskampf der Gegenwart stehende Mensch zu eigen machen.

„In Wahrheit aber ist jener Held (der griechischen Tragödie) der leidende Dionysos der Mysterien, jener die Leiden der Individuation an sich erfahrende Gott, von dem wundervolle Mythen erzählen, wie er als Knabe von den Titanen zerstückelt worden sei und nun in diesem Zustande als Zagreus verehrt werde: wobei angedeutet wird, daß diese Zerstückelung, das eigentliche dionysische Leiden, gleich einer Umwandlung in Luft, Wasser, Feuer und Erde sei, daß wır also den Zustand der Individuation als den Quell und Urgrund alles Leidens, als etwas an sich Verwerfliches zu betrachten