Der Künstler zwischen Westen und Osten

sh Pathologische und therapeutische

Aber es ist mehr der seelische als der meteorologische Druck, der ihm den Lebenswillen lähmt. Wenn Skepsis ein Zeichen des Alters wäre, so müßte man Basel eine der ältesten Städte nennen. Sie war schon im Mittelalter mit Kultur übersättigt und der Geist des Erasmus (der Ulrich von Hutten, als er in Basel ein Asyl suchte, gemieden hat) waltet immer noch über ihr. Es ist kein Zufall, daß gerade von dieser Stadt aus die klassisch gewordenen Darstellungen der Totentänze ausgingen und sich über den ganzen Westen Europas verbreiteten. Das Todesalphabet kann man aus den Werken aller Basler Gelehrten herauslesen.

Nietzsches Intellekt hat Ähnlichkeit mit demjenigen Burckhardts, nicht jedoch sein Wille. Nietzsche richtet wie Burckhardt die Gedanken auf das Prinzip der Macht, aber er sagt ja zu ihm, nicht nein wie dieser, dem es böse ist. Er glaubt ebenfalls an die „Wiederkunft des Gleichen“, aber er preist sie mit Inbrunst. („Dionysischer Pessimismus.‘‘) Schon ist ihm die Geschichte der Menschheit Schicksal seiner eigenen Seele geworden. Weil er den Verlauf des Weltgeschehens, das — im Bilde gesprochen — wie eine in Spiralform sich bewegende Lemniskate erscheint, zum Ringe, der in sich selbst zusammenläuft, biegen wollte, entschnellte sein Geist dem Körper. Nietzsche wurde verrückt.

Ein gleiches Schicksal hätte auch Burckhardt getroffen, wenn sein Temperament prometheisch und nicht epimetheisch gewesen wäre. Er bog sich, wo Nietzsche sich bäumte, und deshalb zerbrach er nicht. „Pathologisch“ ist auch seine Geschichtsbetrachtung.