Die Französische Revolution

20 Zweites Kapitel.

wächſt, ſo war ihm dadurh ſchon die Stellung zu den Untertanen vorgezeichnet. Dieſes politiſche Schema des Gottesgnaden- und Prieſterfönigtums hat Ludwig niemals auſgegeben: er war eben einer von den Königen, welche den Beſih ihrer Krone, ja das Beſtehen ihres Reichs einem höheren Zwe>e unterordnen, der Erhaltung der von Gott geſezten Ordnung der Dinge !).

Daß Ludwig eine ſtreng religiöſe Erziehung durhzumachen hatte, wird nah dem Geſagten ohne weiteres einleuhtend ſein, eine Erziehung, die in ſpäteren trüben Stunden ihren Segen offenbar gemacht hat ?). Ob jene aber vor 1789 in eine klerifale Auffaſſung der Dinge ausgeartet iſt, laſſen uns wohl ſeine Zugehörigkeit zu einer Loge ®) ſowie wegwerfende Urteile ‘) über Mitglieder der Geiſtlichkeit bezweifeln. Welche politiſche Vorbildung hatte er nun aber für ſein Amt genoſſen? Es muß von einem künftigen Staatsmann oder Regenten verlangt ®) werden, daß er ſih eine eingehende Kenntnis der Geſchichte ſeines Landes angeeignet hat, um einen genauen Einbli> in das Weſen desſelben zu gewinnen. Soweit wir hören, hat ſih Ludwig gern jenem Studium unterzogen, es wird ſogar erzählt, daß er Stücke Humes, Gibbons, auch Walpoles überſetzt habe ®). Aber es iſt wohl bei ſeiner Stellung nux zu natürlich, daß er mit einer vorgefaßten Meinung an die Tatſachen der Geſchichte heranging; außerdem foll ſich ſein Sinn nur auf gewiſſe Einzelheiten ") gerichtet haben, den großen Zuſammenhängen hat er alſo wohl nur geringes Verſtändnis entgegengebracht, und nah Goethe (Dichtung und Wahrheit, Buch 11) iſ nur denen Ausſficht auf Lebensglück beſchieden, welche Vergangenheit und Gegenwart zu vereinigen geneigt ſind, die dem Lebensintereſſe das hiſtoriſche Wiſſen anzuknüpfen verſtehen. Schade nur, daß niemand da war, der

1) v. Ranke, Franz. Geſh., Bd. IT, S. 43.

2) S ybel a. a. O. Bd. I, S. 308.

3) Sybels Hiſtoriſche Zeitſchrift, Bd. LXXFVTII, S. 181.

4) Z. B. hat er in dem Anfange der achtziger Jahre den Ausdru> prétraille für den Erzbiſchof Brienne gebrauht. Siehe au< Salmour 3. Mai 87.

5) v. Ranke, Sämtlihe Werke, Bd. XXIV, S. 289.

6) No< mehr. Der General Gourgaud berichtet in ſeinen Memoiren (publ. p. Grouchy et Guillois, Paris 1899) unter dem 16. Januar 1816: „II avait plus d’esprit que la masse des hommes; il le savait, et c’est pourquoi il voulait régner par lui-même. 11 eût dû prendre .…. un bon premier ministre.“ Gogar Flammermont (Revue historique Bd. XLVI, S. 55) rühmt ihm guten Verſtand nach.

7) Biſſing, Frankreich unter Ludwig XVI, S. 63.