Die Französische Revolution

Ludwig XVI. bis 1787. 21

den jungen Prinzen auf den rechten Weg hätte bringen können; denn ſein Vater, dem moderne Anſichten nachgeſagt wurden, ſtarb früh; ſeine Mutter ſank lange vor der Thronbeſteigung ihres Sohnes ins Grab. Sein Großvater, der regierende König, mied es gefliſſentlich, ihn in die Staatsgeſchäfte einzuweihen. Und was wäre für den künftigen Staatsmann notwendiger, als zu lernen, wie die Zeichen der Zeit zu erfaſſen ſind? „Nur in fortwährender Teilnahme an den allgemeinen Angelegenheiten kann der Mann reiſen, der eine Stelle in dem Andenken der Nachwelt verdient“, ſagt Ranke "), und wir verſtehen, welche Folgen dieſe Unterlaſſung ſpäter nah ſih ziehen wird. Der! ſittenloſe Lebenswandel des Großvaters mag vielleicht auh dazu bei- | getragen haben, daß Ludwig ſih von ihm fernhielt. — Noch einen anderen Mangel wies ſeine Erziehung auf. Schon Ludwig XIV. war aus politiſchen Gründen — um einer neuen Fronde vorzubeugen beſliſſen, die Prinzen dem Waffenhandwerk zu entwöhnen ?), eine Gepflogenheit, die dann auch bei den ſpaniſchen Bourbonen geübt und auch hier von bedenklichen Folgen begleitet wurde. Auch bei Ludwig XVT. trat in den letzten Jahren ſeiner Regierung die Unkenntnis in militäriſchen Dingen verhängnisvoll hervor, und ſagt niht Machiavelli: „Die erſte Urſache, die Herrſchaft zu verlieren, iſt die Verachtung des Kriegshandwerks“ 2)?

So war denn der Prinz aufgewachſen, einſam und ſich ſelbſt überlaſſen. Vielleicht lag darin der Grund, daß er ſo gern ſich in die Wälder begab, um dort dem edeln Weidwerk obzuliegen, eine Neigung, die dann in ſpäteren Jahren zur Leidenſchaft ſich entwickelte. Jndem er den Verkehr mit den Menſchen zu meiden anfing, wurde er {hweigſamer, ſchüchterner und zurückhaltender ‘); immer größer wurde ſeine Unſicherheit des Auftretens. Daher ſchien ihm Selbſtändigkeit ®) ſowie Entſchloſſenheit im gegebenen Augenblicke zu fehlen, während die Zeit einen Virtuoſen der Tat verlangte. Es ſah ſo aus, als taumelte ©) er

1) In der Einleitung zur Geſchichte Wallenſteins.

2) Sepet a. a. O. S. 62.

3) Stück 14 im Buch vom Fürſten.

4) Bericht des ſpaniſchen Botſchafters in Verſailles an ſeine Regierung vom 26. Mai 1774: jeßt im archivo historico nacional in Madrid im Paket 4068.

5) Der ſpaniſche Botſchafter mißt für dieſe Erſcheinung dem Erzieher Herzog von Vauguyon die Schuld bei (Span. Archiv 4068, 23. Sept. 1775).

6) v. Ranke, Revolutionskriege, S. 61; vgl. Mercys Brief an Kauniß vom 14. Auguſt 1787.