Die Französische Revolution

24 Zweites Kapitel.

welcher am 11. Mai in die Stelle des leitenden Miniſters berufen wurde, beſaß, iſt nicht ſcharf zu beſtimmen. Dagegen wiſſen wir, daß die Heranziehung Turgots auf ſeinen Rat zurückgeht !).

Dieſer hatte bisher in der Stille ſeiner Jntendantenſtellung zu Limoges gemäß ſeinen phyſiokratiſchen Anſchauungen eine ruhmreiche Tätigkeit entfaltet, wurde dann am 20. Juli 1774 zunächſt in das Marineminiſterium, etliche Wochen ſpäter — am 24. Auguſt — in das Amt des Generalkontrolleurs, welches dur<h Terrays Abſetzung ?) erledigt war, verſezt. Welch ein Jubel war da niht nur im Volke, ſondern auch am Hofe: bei jenem, weil es in ihm den Arzt für die Schäden des Staates erblickte, bei dieſem, weil man von ſeiner Kunſt eine neue Überflutung der immer mehr verſiegenden Staatskaſſe mit Strömen von Gold und Silber erwartete.

Alsbald trat er mit einem größeren Reformprogramm vor ſeinen Herrn. Seine Betrachiung endigte mit dem Ergebnis: „Keinen Bankerott, keine Vermehrung der Anleihen, keine neuen Steuern !“ On>en ®) ſieht in dieſer Scheu vor dem Bankerott den erſten Fehler, welchen Turgot gemacht hat, da er ſo am leichteſten und bequemſten der Staats\chulden quitt geweſen wäre. Aber vergeſſen wir nicht, daß dergleichen Kunſtgriſfe, mögen ſie auh unter Heinrih TV. und Ludwig XIV. vorgekommen ſein, dem Staat Philipps TT. den erſten Todesſtoß verſetzt hatten; denn das Intereſſe für den Staat, der Eiſer des einzelnen, ihm mit den erworbenen Geldmitteln beizuſtehen, muß dadurch verloren gehen. Außerdem kann Zahlungsunfähigkeit des Staates unter Verwirrung der Erwerbsverhältniſſe die bürgerlichen Tugenden vernichten, wie ſie auh imſtande iſt, das Fortbeſtehen eines Staates

dem früheren ſittenloſen Hofe, ſondern au< weil ihm vor allem die Schuld an der Deroute der Finanzen von jenem beigemeſſen wurde (Viry, 13. Mai 1774). Vielleiht hatte Maurepas wegen ſeiner Geſchäftskenntnis das Augenmerk Ludwigs auf ſi< gelenkt (Zo bez, La France s0us Lonis XVI. Paris 1877. Bd. I, S. 59); vielleicht hatten in no< höherem Grade die freundſchaftlihen Beziehungen, in denen er zum Dauphin und zur Prinzeſſin Adelaide, die dieſer ſehr ſhäßte, ſtand, mitgewirkt (Span. Ar. 4068 — 26. Mai und 5. Auguſt). Jedenfalls wurde er dann vom ſpaniſchen Geſandten für den intimſten Ratgeber des Königs gehalten ; dabei wird aber von ihm betont (Span. Ar<. 4068 — 30. März 1775), daß ihm ſtaatsmänniſche Fähigkeiten abgehen.

1) Span. Arc. 4068 — 5. Auguſt 1774.

2) A. Ond>en, Geſchichte der Nationalökonomie (Leipzig 1902), Bd. T, S. 445.

3) Ebenda S. 446—447.