Die Französische Revolution
Ludwig XVI. bis 1787. 29
befinden haben. Aus Abgeordneten derſelben foll dann eine Reichsverſammlung gebildet werden !). So war das Reformprogramm des großen Mannes beſchaſſen. „Nach Ablauf einiger Jahre“, klingt dasſelbe hoffnungsvoll aus, „hätte Ew. Majeſtät ein neues Volk und das erſte der Völker.“ Wir entſinnen uns, was Machiavelli von Frankreich geſagt, wie er ihm — unter der Vorausſezung der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht — die erſte Stelle unter den Mächten Europas zugewieſen hatte, und wenn wir dann auf Napoleons Siegeslaufbahn blicen, ſo müſſen wir bewundern, wie ſehr ſih jener Saß Turgots erfüllt hat.
Doch warum erſt ſo ſpät? erſt nachdem die Dynaſtie der Bourbonen beſeitigt worden war?
Schon damals verſagte Ludwig einem ſolchen Programm, welches zwiſchen König und Volk eine Volksvertretung ſchob, die Exiſtenzberechtigung. Obgleich Glagau *) dargelegt hat, daß die Noten, welche der Text jenes Programms in Soulavies Ausgabe von ſeiner Hand enthält, in Wirklichkeit nicht von ihm ſtammen, ſo paſſen dieſe immerhin nicht ſhle<t zu ſeiner Geſinnung. Denn wenn er in einer Randbemerfung geäußert haben ſoll, Frankreich habe eine Verfaſſung und bedürſe feiner neuen, ſo ſagt dieſe niht viel anderes, als was er ſchon öfter — man denke an die Redewendung vom Verhältnis zwiſchen Vater und Kindern! — über ſeine Stellung kundgegeben hat; und wenn eine andere Note dahin lautet, daß Frankreich bei feiner bisherigen Verfaſſung groß geworden iſt, ſo dürfte auch ſie zu dem, was wir über Ludwig XVT. am Anfange geſagt haben, ſtimmen: denn, wie Koch meint, ſah auh er ſein „bon plaisir“ als ausreichend für die Regierung an. Bei dieſen ganz entgegengeſeßten Anſchauungen zwiſchen König und Miniſter war des leßteren Verbleiben im Amte ohnehin unmöglich; manches andere *), aber weniger Entſcheidende kam dazu, und ſo geſchah es, daß am 12. Mai 1776 Turgot ſeines Amtes
1) Schon damals wurde der Ruf nah Reichsſtänden auch ſonſt hörbar; denn der ſpaniſche Botſchafter berihtet unter dem 21. Nov. 1774 von der Broſchüre eines Benediftiners, die „Útats généraux“ herbeiwünſ<ht. Daraus und aus ähnlichen, weitergehenden Erſcheinungen befürchtet er für Frankreich großes Unheil. Eine Kandidatur Orleans’, Berufung der Reichsſtände, Erwartung einer Revolution! Wie ſo ſehr werfen künftige Ereigniſſe ihren Schatten voraus !
2) Sybels H. Z. Bd. XCVII, S. 473.
3) Die Abneigung der Königin, Zwiſtigkeiten mit Maurepas , Differenzen mit Vergennes.