Die Französische Revolution

48 Zweites Kapitel.

Hofe mit den Geldern — wohl ſo verſchwenderiſch wie nie zuvor umgegangen wurde! Bis zum Jahre 1786 hatte ſih ja Calonne dauernd der Gunſt des Hoſes zu erfreuen gehabt. Noch als im Monat Auguſt der Königin Schweſter Marie Chriſtine in Verſailles zu Beſuch weilte, fonnte jene an ein Geſchenk von 75 bis 100 Louisdor denken und das mit Zuſtimmung ihres Gemahls "). Noch immer war alſo in dieſen Kreiſen keine Erkenntnis der Notlage des Staates wirkſam, obgleich der König ſich ſpäter rühmte ?), als erſter die Gefahren erkannt und an eine Änderung gedacht zu haben. Jetzt, nachdem Calonne ſolange den Fehler begangen hatte, Kredit für Kapital ſelbſt zu halten, trat er mit einem Reformprogramm — dem erſten nah Turgot ®) hervor, das in der Hauptſache Heranziehung der Privilegierten zu den Staatslaſten, Vereinfachung der Steuerverwaltung, Befreiung des Akerbaus und der Induſtrie von allerlei beengenden Feſſeln verlangte: nicht bloß Uniformität, ſondern auh eine enorme Steigerung der königlichen Macht würde dadurch erreicht worden ſein. Aber wie? Waren die Privilegierten ſeit Turgot etwa patriotiſcher geworden? Durchaus nicht; und von vornherein war anzunehmen, daß Calonne von dieſer Seite her der erſte Widerſtand erwachſen würde. Wenn ſie auf ihre Sonderrechte verzichtet hätten, ſo würde dadurch eine Urſache zur Revolution weniger vorgelegen haben; aber ihnen galt die Erhaltung der Standesrechte höher als die Macht und der Wohlſtand des Staates. So dachten ſchon die Ariſtokraten Athens vor dem Auſtreten des Perikles ; und wenn Adlige etwa in Deutſchland oder auh in Spanien gegenüber Karl V. behauptet hatten — es war das eine ganz mittelalterliche Auffaſſung —, daß die finanzielle Befriedigung der ſtaatlichen Bedürfniſſe eines freien edeln Mannes unwürdig, daß dieſer nur zu perſönlichen Leiſtungen heranzuziehen ſei, ſo war das nicht viel anders. Durch dieſen ihren frevelhaften Egoismus, den Beaumarchais in ſeiner „Hochzeit Figaros“ geißelte und den er für alle Zeiten an den Pranger ſtellte, hatten ſie an und für ſich ſhon das Recht auf Berückſichtigung ihrer Privilegien verwirkt. Aber ſie ihnen ohne weiteres zu nehmen, war die Regierung nicht kräftig genug: nur mit Hilfe des dritten Standes hätte ſich das ermöglichen laſſen. - Aber darin lag wieder eine Schwierigkeit ; denn jene verſtanden es nicht {hle<t, aus Sorge um 1) Bei Arneth Nr. 53.

2) v. Ranke, Revolutionskriege, S. 41. 3) Biſſing a. a. O. S. 113. Strud> a. a. O. S. 366 ff.