Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

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Illuſtrierte Geſhihte des Weltkrieges 1914/17.

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erſt ſeine Tauglihkeit zum Flieger erweiſen ſoll. Triumphierend zeigt der Ahnungsloſe ſeinen Überweiſungſhein vor, auf dem der Truppenarzt [<on ſeine Eignung ſhwarz auf weiß beſtätigt hat. Mit freundlihem Lächeln legt ihn der Flugplaydoktor zu den Akten. Er muß ſchärfer und nach anderen Geſihtspunkten prüfen wie Der Kollege da draußen. Und nun beginnt nah der Aufnahme des allgemeinen Körperzuſtandes, die inder Regel befriedigend ausfällt, die Spezialunterſuhung: „Augen zu!“ „Augen auf!“ Ein ſcharfer Lampenſtrahl fällt dem Armen ins Geſicht. Der Medikus ni>t vergnügt: „Der Mann hat gute Ner=ven.“ — „Augen auf!“ Über den Rücken des Ah- : nungsloſen ergießt ſi< eine falte Waſſerflut. Jeder Shveckhafte, Erregbare würde in Entſeßen herumfahren oder über dieſe ſeltſame Einweihungsfeier in Wehklagen ausbre<hen. Der Nervenfeſte beſteht au< dieſe „Waſſerprobe“. Leichte Schläge in die Kniekehlen folgen, Wanderungen geradeaus dur<s Zimmer, aber mit ge]<loſſenen Augen. Pfeifen wechſelt mit Deflamieren “und raſh geſtellten Fragen. Beſteht er alle die Fährniſſe, an deren ſtets neuer Erſinnung die Herren Doktoren außerordentlich fruhtbar ſind — zum eigenſten Beſten der Neulinge —, ſo iſt er feierlihſt als Flugſchüler eingeſtellt. Nur ganz Nervenfeſte können genommen werden, und davon gibt's immer noh genug in deutſhen Landen. Man bewahrt die Zurücgewieſenen vor ſhwerem Schaden und Unglü>, das ſie ſpáter beim Fliegen do<h einmal treffen würde. Denn dex Dienſt in der Luft erfordert Nerven wie Strike. Mit dem Fliegen iſt's nun natürli<h no< lange nihts. Jetzt kommt erſt die theoretiſhe Ausbildumg. Unterricht im Lehrſaal und am Flugzeug ſelbſt. So ähnli<h wie der Kavallerieunteroffizier auf dem Kaſernenhof zu ſeinen Rekruten ſagt: „Das Ding, was ihr hier ſeht, das |\<lägt und beißt, das iſt fein wildes Tier — ſondern ein Pferd,“ erläutert der Fluglehrer ſeinen Schülern ganz ſa<hgemäß anfangend: „Die Dinger, : die hier vor eu< am Erd=boden und über eu< in der Luft Radau machen, ſind — Flugzeuge.“ Das wußten ſie zwar alle ſhon, aber es führt den jungen Helden vor Augen, daß ſie au< — mehr niht wiſſen. Dann aber geht das Lernen, das Vortragen und Verſtehen mit Hochdru>. Und die gewaltige Spannung unſerer Tage erleihtert es Lehrern und ShÜlern. Alle Handgriffe am Flugzeug müſſen gelernt werden. Nicht nur das Steuern ſelbſt. So wie der angehende Reiteroffiz gier ſe<s Wochen als Fahnenjunfker ſein Pferd im Stalldienſt ſelbſt pflegen muß, lernt au<h der Flieger von Grund auf die Bedienung ſeines verwid>elt gebauten Luftroſſes. Alle Motorteile lernt ex kennen, feſtſ<hrauben und loslöſen, Benzin einfüllen und ablaſz

Unterricht im Aufnehmen von Funkentelegrammen,

In einer deutſchen Fliegerſchule. Nah photographiſhen Aufnahmen der Berl, Zlluſtrat.-Geſ. m; b, H.

‘Einfüllen vou Benzin in den Flugapparat.

ſen, Propeller auswe <ſeln, furz, alle untergeordneteren Aufgaben ebenſo wie die hohe Kunſt des Flugzeugführens ſelbſt.

Lotzteres wird zuerſt am Erdboden in der ſtehenden Maſchine geübt, dann im langfamen Rollen über den Plat. Dex erſte Flug hinauf in die Luft iſt natürlich ein großer Augenbli>. Der Lehrer zeigt dem Schüler alle Griffe. Hundertmal muß er ſie betra<hten und ſi genau einprägen. Die Wirkung des ſogenannten Jungſfernflugs iſt auf die verſchiedenen Temperamente auh ganz verſchieden. Bei manGhem löſt ſie ſih in eine hohe jau<hzende Freude aus, mane empfinden alles wie eine Selbſtverſtändlihkeit, ans dere wieder fühlen Unbehagen und kommen re<t niederzgeſchlagen bei der erſten Landung herab. Das alles hat

Faum etwas zu bedeuten. Auch niht, wenn der Neuling

vor dem erſten Flug plößli<h von auffallender Furcht ergriffen wird. Das kommt vor. Alles im Leben iſt Gewohnheit, und das Fliegen iſt die großartigſte Errungenſchaft unſerer Generation, der Traum und die Sehnſucht der Völker=geſhlehter ſeit Jahrtauſenden. Soll da dem einzelnen

niht do< im legten Augenbli> das Herz ſhneller ſ<lagen und ein wenig bange in der Seele werden? — Es iſt oft vorgetommen, daß die, denen der Schre>en anfangs faſt die Glieder lähmte, noc die größten Lufthelden geworden ſind.