Die Physiognomie des Menschen
zornbare Seele ($uuocıdes) im Herzen, 5. die begehrende und verabscheuende Seele (emduunrixöv) in der Leber.) Wo Porta ganz allgemein von den Ansichten der Ärzte spricht, gibt er meistens Galen’sche Lehren wieder. Von den zahlreichen Schriften Galens, die noch nicht alle gedruckt sind, kommen für den Charakterologen hauptsächlich in Frage Quod mores sequ. temper. corp. und De usu partium human. corp. Seine fein ausgebaute Semiotik (Krankheitsdiagnostik nach äußeren Zeichen) verlangte geradezu nach physiognomischer Verarbeitung. So führte z. B. seine Lehre vom Puls (De differentia pulsuum), die er im Prinzip von der Ärzteschule der Pneumatiker (Athenaeus Attalensis, Agathinus (De pulsibus), Chrysermus usw.) übernommen hatte, zu einer ganz differenzierten Deutungskunst des Charakters aus der Beschaffenheit des Pulses.
°) ad Hippokrates: Hippokrates stammte aus einem alten Asklepiadengeschlecht, wurde auf der Insel Kos um das Jahr 460 v. Chr. geboren und starb 377 v. Chr. in Larissa, lebte also etwa zur Zeit der 80. Olympiade. Die zahlreichen Anekdoten, die sich um sein Leben ranken, haben ihn zu einer fast mythischen Persönlichkeit gemacht. Er war der berühmteste Arzt des Altertums und der Begründer der Humoralpathologie. Seine äußerst scharfe Beobachtungsgabe ließ ihn viele physiognomisch wertvolle Bemerkungen machen. So lieferte er z. B. eine genaue Beschreibung der Gestalt und des Ausdrucks des Gesichtes von Sterbenden, die noch heute in dem medizinischen Fachausdruck Facies hippokratica fortlebt. — In seinen Schriften finden sich viele Bemerkungen zur allgemeinen („moralischen“) und besonders zur medizinischen Physiognomik. Im 2. Buch seines Werkes De morb. vulg. spricht er ausführlicher von ihr. Anutius Foesius, der eine Herausgabe seiner Schriften besorgte (Frankfurt 1624), überschrieb das betreffende Kapitel „Physiognomonikon“. — S. weiter De morb. epid. — De aquis, aere et locis. (Ableitung des Nationalcharakters aus den Faktoren der Umwelt.) — De astrologia. (Petrus de Abano übersetzte es im 14. Jahrh. ins Lateinische, s. Anm. 26.) — S. auch Anm. 25. Nikol. Petrejus.
7) ad Avicenna: Avicenna oder Honain Abu Ali ben Sina oder Ebn Sina oder Ibn Sina lebte von 980—1037. Er war der berühmteste arabische Arzt und genoß eine ähnliche Autorität wie Aristoteles und Galen. Er schrieb ein fünfbändiges Lehrbuch der Medizin, den „umfangreichen Kanon“, der sich auf Galen stützt, und beschäftigte sich viel mit Astrologie (s. De stellis fixis). Vergl. die unter 2. angeführte Schrift von R. Foerster: Quaest. physiogn.
°) Hinweis auf sein Buch Phytognomonika. S. Einleitung des Herausgebers.
®) Nach humoralpathologischer Anschauung setzte sich der Körper des Menschen aus den vier Kardinalsäften (humores) zusammen: Blut (sanguis), Schleim (phlegma), schwarze Galle (melancholia) und gelbe Galle (cholera). Der am meisten überwiegende Saft bestimmte den Charakter der Mischung (Mischung — temperamentum). Dies war die Grundlage der Lehre von den vier Temperamenten, die also anfangs
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