Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Alle diese Welterkenntniß unsrer abendländischen Hoch* schulen scheint immer nur einen von zwei Zielpunkten vor Augen zu haben: entweder sie bleibt rein akademisch und formalistisch oder sie wird praktisch und realistisch. Ich will es mit Worten Schopenhauers zu sagen versuchen:

‚Die Welt als Vorstellung, das Bereich bloßer Wirklichkeit als das eigentliche Ziel und den ganzen Sinn alles Lebens hinzustellen und somit alles ausmünden zu lassen in menschliche Geschichte das ist der geheime und nur dem Eingeweihtem sichtbar werdende Grund, weswegen der Staat an den Universitäten Professoren für Philosophie besoldet. Damit aber bezeichnen wir auch den Punkt, wo der Denker, der letzten Ernst macht, sich unterscheidet von bloßen Spaßphilosophen: ihm ist das Wirkliche durchaus nicht das Wirkliche.‘

Werte verwirklichen! Das heißt das Lebenswachstumselement auflösen und erlösen. Schließlich kann man ja auch diesen Todesweg Lebennennen und als den Sinn des Lebens empfehlen. Praktik und Formalismus, das sind Scylla und

Charybdis solcher Art Philosophie.

d) Unerbittlich nackt tritt diese praktische und formalistische Natur der Europa und Amerika-beherrschenden Philosophie zu Tage an einer vierten modernen Richtung: der pragmatischen oder fiktionalistischen. So wie man Reiche immer nur erhalten kann mit den Mitteln, dank deren sie gegründet sind, so scheint Philosophie immer wieder zurückkehren zu müssen zu dem Punkt, von dem sie ausging. Der Philosoph im Abendlande aber geht aus von des Menschen ‚objektiver Wirklichkeit‘. So kommt denn schließlich die bankerotteste aller ‚Richtungen‘ wieder auf diese Wirklichkeit zurück. Sie hält überhaupt nichts mehr für wahr und nichts mehr für lebendig als einzig und allein die dingliche Eriahrungswelt in Zeit und Raum (welche doch weder wahr noch auch lebendig ist). Für diese Philosophie, über welche gebreitet liegt wie über den entkernten und vernutzten Gesichtern öffentlicher Männer und Weiber die große Schwermut der inneren Öde, erschöpft sich Wahrheit wie Leben in der Erdichtung praktischer Annahmen und Illusionen zur Erreichung menschlichtechnischer Nutzabsichten. Grade das Gebiet des abgelebten Lebens und der wirklichgewordenen Wahrheit ist für sie das einzige Leben und die einzige Wahrheit. Es ist ein tragisches Symbol, daß der verdienteste Vertreter dieser Richtung, da er wie Galilei die Welt der Sinne mit der Welt