Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

Br | wie der Geistigste aus eigenem Blute unsern Gegensatz durchleidet. Damit nehmen unsre philosophischen Gedanken eine praktische und politische Wendung.

Das Ausfallstor der deutschen Flüge I ch Jahrhunderte im Westen. Die lateinischen Länder, Frankreich, Italien, Spanien waren die Sehnsuchtsgärten germanischer Seele. Von dort her kam unsre Bildungsgeschichte. Von dort her der Geist unsrer Klassik. Von dort her die Gewalt der alten Kirche. - Diese Mächte haben das deutsche Volkstum einerseits geadelt, andrerseits gedrückt. Die wilden, ungeschützten Bildungskeime germanisch-heidnischer Urzeit wurden eingesenkt in das wohlgeordnete Gartenland lateinischer Kultur. Dabei ist Deutschland verwälscht und verfälscht. Auf der weit reiferen lateinischen Bildung aber lastete der germanische Norde gleich einer Gewitterwolke, welche drohte das südliche Europa zu überschwemmen und zu enteigenen. Die Kampfgeschichte vieler Jahrhunderte stieg aus dieser Spannung. Vielleicht aber bildete der Weltkrieg die Scheide zweier Geschichtsalter, insofern für das weitere Wachstum deutscher Volkheit nur noch ofifenblieb eine Türe nach Osten. Aus ihr heraus treten wir nicht mehr ins Gartenland unsrer Jugendsehnsucht. Wir treten, Mann geworden, hinaus m kalte, unwegsame, arbeitiordernde Gefiilde. Aber dafür kommen wir nicht als Unwillkommene und Bedrohende, sondern als Gebende ‘ und Versöhnende. Denn für die slavischen Völker sind wir heute das Selbe, was die Lateiner für Angeln, Sachsen und Franken gewesen sind. Geben wir deutscher Bildungspolitik diese Richtung, so können wir, auch angesichts der kommenden Entscheidungskriege zwischen England und Frankreich, germanischem und lateinischem Kulturkreise, die Gefühle der südlichen Völker entgiften.

Die Gemeinschaft deutschen und russischen Geistes schafit ein neues Europa. Vielleicht eine neue Religion. — Wenn wir in deutschen Schulen Latein und Französisch beschränkend, neben der englischen Sprache die russische künftig lehren, wenn wir den Abstrom unsrer im zu eng gewordenem Reichshaus entbehrlichen Jugend planvoll leiten in die auf deutschenglische Befruchtung harrenden Gefilde Rußlands, so läßt sich Verlornes wiedergewinnen, indem wir abgeben, wovon wir zu viel besitzen.