Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit
Ersatz der städteverschmutzenden Steinkohle; wir streiten über zehntausend andere Fragen des einfachen Lebens; aber: so viele Köpfe, so viele Sinne. .
Angesichts dieser Streitsucht, Rechthaberei, Vieldeutigkeit, Unsicherheit und Selbstgerechtigkeit alle unsrer Meinungen und Überzeugungen wär es verhängnisvoll wider Vernünitlertum zu Felde zu ziehn. Es hieße trübes Wasser treiben auf die Mühlen der Orakler, Dünkler und Wundermänner, all der Millionen fanatisch überhitzter Fusel- und Faselköpfe, welche sich, jeder von seiner Einsicht, seiner Herzensgüte, seinem Lebensapostolate heilig überzeugt, in engem und weiten Kreise, der alles und gar nichts mehr glaubenden, im Kerne aber immer der Macht und dem Erfolge nachgebenden ‚Menschheit‘ anbieten als: Lebenserneuerer, Menschheitserzieher, Welträtsellöser, und endliche Bringer endlichen Heils. Vielmehr kommt für unser aus dem Naturverband herausgetretenes in Staat, Stadt, Werktum, Geldwirtschait, Bewußtseinswerklichkeit eingekerkertes Europa nun Alles darauf an, daß wir unsern Panzer _ wandeln in unsre Haut, daß wir mit den Waffen des Bewußtseins wiedererobern, was an unmittelbarer Triebsicherheit verloren geht, bis wir von Wille und Urteil aus, aufs neue triebsicher und natürlich werden; denn Bildung ist nur unsere wiedererlangte Kindlichkeit. ne
Darauf also kommt es an, daß auch Vorurteile gegen Mechanik, Materialismus, Utilitarismus, Intellektualismus usw. kräftig überwunden werden, damit die unausbleiblich gewordene immer weiterschreitende Verstaatlichung und Mechanisirung äußeren Lebens: der Gebrauchsgüter (Bergwerke, Eisenbahnen, Kohlen, Naturkräfte, Werkerzeugnisse); der Berufe (wie Anwalt- und Ärztestand); der Bildungs- und Wissenschaftsbemühungen, zuletzt sogar der gesamten Aufzucht und Erziehung neuer Geschlechter durchaus verwendet werde im Dienste der Befreiung, Verfeinerung und Auferhöhung jedes Einzelnen. Auf den Willkürwegen eines Unternehmerliberalismus wäre alles Mühen umsonst. Lebenserneuerung bleibt gebunden an eiserne Gewalt planwirtschaftlicher Gemeinschaft. Recht ohne Macht ist Wahn. So lange aber Freiheit und Bindung gelten als Gegensätze und der Mensch frohndet im Dienste sachlicher Werte und Werke, ohne sie für sein Leben nutzen und in Blut wandeln zu können, so lange eine selber wirre, selber gemeine: Seele nur ‚Gebrauch macht‘ von den adligen Ordnungen der Normen und Werte, so lange ist alles