Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
118 3 V. Stille Zeiten.
an Wünſchen unterbreiteten und die römiſche Kurie machte nur halbe Konzeſſionen. Dadurch wurde die Lage für Perier etwas ungemütlich, zumal da Öſterreich Bologna weiter unter ſeinem militäriſchen Schute hielt. Jn Paris verlangte man wieder die vollſtändige Räumung des Kirchenſtaates, doh Metternich wollte dieſe hartnäckig vertretene Forderung nur erfüllen, wenn ſie der Papſt an ihn richten würde. Auch dann ſollte die Konferenz der Geſandten in Rom unzweideutig ausſprechen, daß die Mächte die weltliche Herrſchaft des Heiligen Vaters feierlich garantieren. Der öſterreichiſche Staatsmann gedachte auf dieſe Weiſe zwiſchen der unſhlüſſigen franzöſiſchen Regierung und den freiheitslüſternen liberalen Politikern in Ftalien eine Kluft zu ſchaffen und die beſtehenden freundſchaftlichen Neigungen zu ertöten. Doch in Paris ließ man ſih niht zu einer unklugen Handlung hinreißen, während Metternich ſehr böſe und kriegeriſch tat. „Glaubt Herr Perier uns bange zu machen?“ grollte der Staatsfanzler. „Der Kaiſer will nicht den Krieg, aber er wird ihm nicht ausweichen.““ Noch war das lette Wort nicht geſprochen, und man hütete ſich, den Bogen ſo ſtraff zu ſpannen, daß er brechen mußte. Jn der lezten Stunde fand ſih ein Auweg, der in Wien und Paris zuſagte. Bologna wurde geräumt ").
Indes, noch einmal ſollten die öſterreichiſchen Truppen kehrt» machen. Jn Bologna waren Blutbäder und Plünderungen au} die Tagesordnung geſeßt worden, und der Papſt rief ſchließlich abermals nach dem ſtarken Arme, den ihm Wien dienſtwillig bot. Nun ſchäumte man in Paris erſt recht auf; in der Kammer ertönten harte Reden gegen Ludwig Philipp. Jn ihrer Not mußte die franzöſiſche Regierung etwas unternehmen, und ſie ließ Ancona beſetzen. Jahrelang blieben die Truppen der zwei fremden Mächte im Kirchenſtaate. YV. Stille Zeiten.
Der Überanſtrengung folgt das Bedürfnis nach Ruhe. Fn den Napoleoniſhen Tagen hatte ſih die Kriegsluſt Europas erſhöpſt; die Regierungen ſehnten ſih nach ſtillen Zeiten. Es wurde in den Staatskanzleien immer ruhiger; die Leidenſchaften verrauchten da und dort, und man wandte allen Scharfſinn auf, um den Frieden zu erhalten. Bisweilen regte ſich wohl das Temperament etwas ſtär-
1) Alfred Stern. Geſchichte Europas von 1815—1871. 4. Band.