Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
V. Stille Zeiten. 119
ker, aber die Beſonnenheit gewann zuletzt die Vorherrſchaft. Als die Serie von Revolutionen, die im Juli 1830 ihren Anfang nahm, abgelaufen war, kamen Jahre, in denen die Geſchäfte weniger Auſfregung boten als ſonſt. Die ſcheinbar träger hinfließenden Tageblieben allerdings niht ganz ohne Sturm und der Himmel erſtrahlte nicht immer im hellen Kleide des Sonnengolds.
Fürſt Metternich erholte ſich nie mehr vollſtändig von der Einbuße an Macht und Anſehen, die er erlitten hatte. Jn dem Orcheſter der Diplomaten ſpielte er jeht niht wie früher die erſte Geige. Jmmerhin hatte er vor den aufſtrebenden Staat3männern etwas voraus: die Würde des Alters und die Erfahrungen eines langen Dienſtes. Folgte man auch nicht ſeinen Ratſchlägen, man hörte trozdem ach. tungsvoll auf ſeine Stimme. Durſte ſi<h Metternich auh niht mehr brüſten, der erſte Miniſter des Äußern der Gegenwart zu ſein, ſo zog er doch aus der Tatſache perſönlichen Nuten, daß er der erſte Diplomat der jüngſten Vergangenheit war. An Rührigkeit und Erfindungsgabe hatte der Staat3mann im Laufe der Jahre freilich viel verloren; ſeine bewundernswerte Anpaſſungsfähigkeit war dahin. Öſterreich führte nicht wie ehedem, ſondern es wurde geführt; aus der Wiener Staatskanzlei vernahm man bisweilen bloß das ſchwache Echo der Rufe, die in St. Petersburg kräftig erklangen. Der kraſtvolle, ſelbſtherrliche Kaiſer Nikolaus warf ſih allmählih zum Berater der Donaumonarchie auf; er wollte ihr guter Geiſt ſein und wurde ihr böſer Dämon, weil er die geiſtige und politiſche Verſumpfung förderte und das vollſtändige Erſtarren der Glieder als Se=gen pries.
Unter den vielerlei Fragen, die Metternich beſchäftigten, ſtanden die Verfaſſungskämpfe und Thronſtreitigkeiten aufder Pyrenäenhalbinſel niht in leßter Reihe. Palmerſton gewann in Spanien und Portugal merkli<h an Einfluß; er begünſtigte dort die konſtitutionellen Regungen und wurde darin von der franzöſi{en Regierung unterſtüzt. Öſterreich und Rußland blickten auf den Sieg des — freilich ſhlecht angewendeten — Liberalismus mit ſichtlichem Verdruſſe und im Jahre 1834 beriefen die beiden abſolutiſtiſch regierten Staaten ihre Geſandten von Madrid ab. Schroff ſtanden ſich damals die Kabinette, die dem Liberalismus zuneigtent und die Regierungen, die von ihm nichts wiſſen wollten, gegenüber und die Fehde der Diplomaten nahm für einige Zeit eine bedrohliche Wendung. Die Wogen glätteten ſich jedo<h wieder, und man begnügte ſi<h in Wien und St. Petersburg damit, den ſpaniſchen