Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

42 I. Der Kampf gegen Napoleon.

waren. Was ſich in dem ungariſchen Städtchen abſpielte, mutet ſonderbar genug an. Die Bevollmächtigten vertrödelten die Zeit, ohne ſich irgendwie näher zu kommen. „Wir haben uns“ — meinte ironiſch Metternich — „nur noch zu verſammeln, damit unſer Protokoll der Nachwelt zu erkennen gebe, die Bevollmächtigten haben ſich dieſen und dieſen Tag verſammelt, und daß die Sißung, da man ſich nichts zu ſagen hatte, aufgehoben wurde.“ Eigentlich hätte es ſehr viel Stoff für eingehende Auseinanderſezungen gegeben, weil nichts Geringeres als die Ordnung der Beziehungen der zwei Kaiſerſtaaten in Frage ſtand. Napoleon jedoch befolgte die Taktik, Zeit zu gewinnen und darum wich ſein Vertrauensmann der ſachlichen Arbeit aus. Die Diplomaten beſchränkten ſich alſo auf den Austauſch von Schriftſtücken und führten nebſtbei geiſtreiche Konſervationen, die ihrem Eſprit ein gutes Zeugnis gaben. Aber für den Frieden geſchah nichts 1).

Während der Kongreß in Ungariſch-Altenburg nuzlos tagte, ſtieg die Kampfesluſ am Hoflager des Kaiſers Franz, das ſi<h in der Nähe des Kongreßortes befand. Die Beziehungen zum Aus= lande ſchienen ſich etwas beſſer zu geſtalten. Der König von Preußen hatte wieder den Oberſt Kneſebe> nah Öſterreich geſandt und mit der Vollmacht ausgeſtattet, einen Vertrag abzuſchließen, Englands Kriegsunternehmungen boten günſtigere Chancen; man dachte ſogar bei Rußland Unterſtühung zu finden. Aber die Verhandlungen mit Kneſebe> nahmen nicht den erhofften Lauf. Preußen verlangte,

1) Jm Jahre 1809 ſpra< \ſi< Napoleon wiederholt heftig über Kaiſer Franz aus. Mehrmals drohte er den Monarchen vom Throne zu ſtürzen, um einen ſeiner Brüder — den Erzherzog Ferdinand oder den Erzherzog Carl — mit dem fkaiſerlihen Purpur zu bekleiden. Als der Korſe wieder einmal ungeſtüm verlangte, daß Kaiſer Franz abdanken möge, ſpielten ſi<h die Ereigniſſe folgendermaßen ab: Erzherzog Carl — den Napoleon diesmal für die Nachfolge ins Auge gefaßt hatte — ſ{hrieb an den Kaiſer der Franzoſen, er wünſche für ſeine Perſon ni<hts und Napoleon könne ihm ſein Wohlwollen nicht beſſer beweiſen, als wenn er dem re<htmäßigen Monarchen alles biete, was er für den Fall eines Thronwechſels angekündigt habe. Dennoch fand eine Konferenz ſtatt, an der Kaiſer Franz, Erzherzog Carl und Graf Stadion teilnahmen. Franz war erſchüttert, niedergeſchlagen und bereit, alles aufzugeben. „Wohlan ſprah er, wenn Gott es ſo will, ſo ſei es. Jh ziehe mi< zurü>. Das Schloß Laxenburg wird er mir doh laſſen?“ Da erhob ſi< der Erzherzog Carl und mahnte den Kaiſer, ſi< ſelbſt niht aufzugeben, bis zum leßten Augenbli>e zu kämpfen und zu ſiegen oder würdig und unverzagt zu fallen. Und das wurde au< be\{loſſen. (Tagebücher des Carl Friedrih Freiherrn Kübe> von Kübau, Wien 1909. Erſter Band. 2. Teil.)